Sehr oft werden wir in Mails oder von besorgten Klienten gefragt, ob ihr persönliches Risiko an Darmkrebs zu erkranken durch das Vorliegen des Reizdarmsyndroms erhöht hat. Etwas weniger wird die
Befürchtung geäußert, der Reizdarm könnte sich in Wirklichkeit als Darmkrebs entpuppen.
"Ich habe immer Durchfall, da muss doch etwas nicht in Ordnung sein!"
"Meine Ärztin sagte, dass ich aufgrund meiner Symptomatik regelmäßig spiegeln soll. Ich wäre eine Kandidat für Darmkrebs."
So oder so ähnlich erreichen uns sehr viele besorgte Zuschriften. Wir haben uns deshalb vorgenommen, dieses Thema in unserem Blog zu behandeln und zwar mit der nötigen Objektivität. Wir verstehen die Ängste und Sorgen der Betroffenen natürlich, möchten diese aber auch nicht weiter mit Fallgeschichten etc. aufheizen. Deshalb folgt hier nun ein kurzer Überblick über wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema.
Reizdarm und Darmkrebs- Risiko in Taiwan, 2014
2014 veröffentlichten Hsiao und Kollegen im European Journal of Internal Medicine ihre Untersuchung an über 90.000 diagnostizierten Reizdarm- Betroffenen. Sie
verglichen darin die Entwicklung von Darmkrebs mit 180.000 Vergleichspersonen, welche sie nach Alter, Geschlecht etc. an die Reizdarmgruppe angepasst hatten.
Zentrales Ergebnis: Innerhalb von zwei Jahren nach Diagnosestellung war das Risiko an einem Darmkrebs zu erkranken für die Reizdarm- Patienten erhöht (37 vs. 6 pro 10.000).
Dieser signifikante Unterschied verschwand aber nach zwei Jahren. Die Forscher verweisen darauf, dass offensichtlich Patienten mit Darmkrebs als Reizdarm fehldiagnostiziert
wurden.
Handelte es sich allerdings um einen "klassischen" ausdiagnostizierten Reizdarm, war das Langzeitrisiko an einem Darmkrebs zu erkranken nicht erhöht.
Reizdarm und Darmkrebs- Risiko in Dänemark, 2011
Norgaard und
Kollegen untersuchten 58.000 Personen mit der Diagnose Reizdarmsyndrom in Dänemark auf die langfristige Entwicklung von Darmkrebs. Die beobachteten Raten wurden mit den anhand der allgemeinen
Bevölkerung zu erwartenden Zahlen verglichen.
Zentrales Ergebnis: Innerhalb der ersten drei Monate nach der Diagnosestellung war das Risiko an einem Darmkrebs zu erkranken stark erhöht (bis zu 8fach). Danach verschwand
dieser Unterschied. Die Forscher gaben die gleiche Erklärung dazu ab, wie die taiwanesischen Wissenschaftler.
Auch diese Studie zeigte, dass das Darmkrebs- Risiko bei zutreffender Diagnose Reizdarmsyndrom nicht erhöht ist.
Unser Fazit
Welche Schlüsse können besorgte Patienten nun aus diesen Ergebnissen ziehen? Zuerst einmal können wir feststellen, dass das Risiko langfristig an einem Darmkrebs zu erkranken für Reizdarm-
Betroffene dem der Gesamtbevölkerung entspricht und nicht erhöht ist. Dies ist ein deutlicher Unterschied bspw. zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis
ulcerosa.
Sinnvoll kann es sein, sich bei der Diagnosefindung etwas intensiver mit dem Thema Darmkrebs zu beschäftigen. Sprechen Sie Ihren Arzt darauf an, vor allem wenn Sie bestimmte Risikofaktoren
aufweisen (fortgeschrittenes Alter, familiäre Vorgeschichte) oder für den Reizdarm untypische Symptome beobachten (Gewichtsverlust, Blut im Stuhl). Die Diagnose sollte generell nie ausschließlich
auf der Patientengeschichte und anhand der vorliegenden Symptome gefällt werden. Auch klassische Reizdarmsymptome können bei einem Darmkrebs vorhanden sein, wie die oben geschilderten Ergebnisse
zeigen.