Die meisten Betroffenen von Kohlenhydratmalabsorptionen kennen die üblichen Tipps und Tricks, um die Aufnahme der jeweiligen kurzkettigen Kohlenhydrate zu verbessern. So kann durch die
geschickte Auswahl von Früchten und Gemüsesorten, welche über ein günstiges Verhältnis Glukose : Fruktose verfügen, die verträgliche Fruktosemenge oft deutlich gesteigert werden. Weiterhin lohnt
es sich u.a. die täglichen Obst- und Gemüseportionen über den Tag zu verteilen, so dass zu jeder Mahlzeit bzw. jedem Snack nur kleinere Mengen des jeweiligen Zuckers konsumiert werden. Doch der
unserer Meinung nach wichtigste Einflussfaktor auf die Verwertung und Absorption dieser so oft problematischen Kohlenhydrate ist ihre Verweildauer im Dünndarm: Je länger sie benötigen, um diesen
zu passieren, desto mehr Zeit hat die Darmschleimhaut diese durch Transportproteine oder -enzyme zu resorbieren.
Warum ist dies für Reizdarmpatienten interessant? Mit der Entwicklung und klinischen Validierung des low-FODMAP-Konzeptes wurde gezeigt, dass Malabsorptions- und Fermentationsprozesse kurzkettiger Kohlenhydrate durch die Darmflora ein enormes Symptompotenzial
darstellen. Eine Reduktion der zugeführten problematischen Lebensmittel verringert nachweislich die Symptome des Reizdarms bei einem Großteil der Betroffenen.
Sind Kohlenhydratmalabsorptionen eigene Erkrankungen?
NEIN! Kohlenhydratmalabsorption ist erst einmal ein ganz natürlicher Vorgang. Wissenschaftler schätzen, dass durchschnittlich bis zu 50g unverdaute Kohlenhydrate pro Tag unseren Dickdarm
erreichen und dort der menschlichen Darmflora als Nahrung zur Verfügung stehen. Problematisch wird es erst dann, wenn zu diesem Vorgang eine funktionelle Darmstörung hinzutritt.
Noch einmal, weil es so überaus wichtig für das Verständnis dieses Sachverhaltes ist: FODMAPs, darunter Milchzucker, Fruchtzucker und Fruktane werden von allen Menschen unvollständig
resorbiert. Das oder eher die Probleme bestehen wahrscheinlich in einer pathologisch veränderten Darmflora, denn wir wissen inzwischen, dass bei RDS- Patienten bei gleicher unverdauter
Kohlenhydratmenge mehr Fermentationsgase produziert werden, oder aber in einer gesteigerten Wahrnehmungsschwelle, Stichwort Ballonversuche.
Auch wenn die Aufnahme der Kohlenhydrate interindividuellen Schwankungen unterliegt, so ist die Symptomatik also am ehesten durch eine zugrundeliegende Störung bedingt. Dies bedeutet nichts
anderes, als dass sich die Unverträglichkeiten bedeutend bessern lassen, wenn man die Darmgesundheit an sich verbessert. Dies sehen wir immer wieder bei unseren Beratungen und hören es von
unseren Kollegen und Mentoren.
Warum Sie FODMAPs nicht einfach meiden sollten
Wir wissen inzwischen, dass die low-FODMAP-Diät einige Probleme mit sich bringt: Unter anderem verringert sie die Anzahl probiotischer Bakterienstämme im Dickdarm, denn während FODMAPs für
Reizdarmpatienten symptomverursachend wirken, dienen sie auch unserer probiotischen Darmflora als Nahrung und sind damit essenziell für unsere Gesundheit (Vitaminsynthese, Immunsystem, Krebs- und
Infektionsschutz usw).
Ein wichtiges Anliegen vieler FODMAP- Experten ist deshalb die Wiedereinführung nach der Eliminationsphase. Die Betroffenen sollen herausfinden welche und wie viele FODMAPs sie tolerieren können,
um eine gesunde und reichhaltige Ernährung zu gewährleisten. Doch viele Patienten verharren bei der Vermeidung der Nahrungsmittel in den "roten Spalten" aus Angst, dass es ihnen wieder schlechter
geht. Doch diese Praxis ist gefährlich und kann zurückfeuern. Bedenken Sie nur, welche Erkenntnisse in den letzten Monaten und Jahren über unser Mikrobiom gewonnen wurden und wie wichtig eine
biodiverse und probiotische Darmflora für unsere physische und sogar psychische Gesundheit ist. Mal ganz abgesehen davon, dass Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse wichtige Nährstofflieferanten
sind. Leider haben wir immer wieder mit Klienten und Lesern zu tun, welche ihre Nahrungsaufnahme auf nicht viel mehr als Reis, Kartoffeln, glutenfreies Brot und etwas mageres Fleisch reduziert
haben. Das so keine gesunde Ernährung und vor allem auch keine "Regenerationskost" aussehen kann und darf, sollte jedem Menschen bewusst sein. Oft müssen die Betroffenen ihre Speiseauswahl immer
weiter reduzieren, um wenigstens einigermaßen symptomarm zu bleiben. Auch die low-FODMAP-Diät begünstigt unserer Meinung nach diese Verhaltensweisen, wenn man sie nicht korrekt, im Sinne der
Erschaffer und vieler Autoren, durchführt.
Teaser: Einer der nächsten Artikel wird sich mit dem Thema "Ist die low-FODMAP-Diät langfristig schädlich für mich?" auseinandersetzen.
Akute Reizdarmbeschwerden vs. (weiter)geschädigte Darmflora
Ist es also unser Schicksal entweder unter Schmerzen, Blähungen und Durchfällen zu leiden, ODER entsprechende Kohlenhydrate und Ballaststoffe zu meiden und dadurch unser Mikrobiom zu schädigen?
Nein.
Eine vielversprechende Strategie ist es, die Resorptionszeit und damit -rate im Dünndarm zu erhöhen. Dies kann beispielsweise durch eine gesteigerte Fettaufnahme erreicht werden: Bei einigen
unserer langfristigen Klienten konnten wir feststellen, dass diese deutlich mehr FODMAPs vertrugen, nachdem wir sie von der low-FODMAP oder einer eher "klassischen" Reizdarmdiät zu SCD oder
GAPS gebracht hatten. Diese Diäten erhöhen durch ihre eingeschränktere Lebensmittelauswahl das Fett praktisch im Vorbeigehen. Eine Spezielle Kohlenhydratdiät fettarm zu gestalten, ist fast nicht
möglich, während das bei der low-FODMAP-Diät recht unkompliziert ist. Bei der "klassischen" Variante könnte auch noch Gluten eine Rolle gespielt haben, denn Studien haben gezeigt, dass Gluten die
Transportzeit im Dünndarm bei RDS-Patienten sogar verkürzt.
Wie kam es aber zu den Unterschieden zwischen low-FODMAP-Diät und SCD?
Als wir unsere Unterlagen prüften, bestätigte sich unser Verdacht. Die beiden deutlichsten Unterschiede lagen in der Fett- und Stärkezufuhr. Alle Klienten berichteten über eine höhere Toleranz
gegenüber Obst, aber auch Hülsenfrüchten (Erdnuss, Linsen, Tofu).
Little und Kollegen (2007) schildern in ihrem Review eindrucksvoll, wie Nahrungsfett die Magenentleerung verzögert, die Dünndarmpassagezeit
deutlich reduziert und verschiedene Hormone triggert.
Wenn uns SCD, GAPS und Paleo-Diät mit höherem Fettkonsum die Möglichkeit geben mehr Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte beschwerdefrei zu konsumieren, während wir auf leere Getreidekalorien
verzichten, dann sollten wir das dringendst tun! Denn für die zusätzlichen Nährstoffe bedankt sich nicht nur unser menschlicher Körper, sondern auch unser bakterieller Anhang in Form der
Darmflora! Wenn Sie diesen Blog schon länger verfolgen, dann wissen Sie inzwischen, dass eine gesunde und artenreiche Darmflora der Schlüssel zur Linderung unserer Reizdarmbeschwerden ist. Eine
dauerhafte Meidung von evtl. fermentierbaren Substraten ist deshalb kontraproduktiv. Versuchen Sie es deshalb einmal mit mehr Fett in Ihrer Ernährung in Form von Kokosöl, Olivenöl und Butter. Und
dann erhöhen Sie langsam und schrittweise Ihre Ballaststoff- und FODMAP-Zufuhr. Ihre Gesundheit wird es Ihnen danken.
PS: Wer immer noch Angst vor dem "bösen" Fett hat, der hat wohl die letzten Jahre sämtliche Printmedien gemieden. Fett ist weder Schuld an Herzkrankheiten noch an Darmkrebs. Auch darüber werden
wir wohl noch einmal berichten müssen, um die letzten Vorurteile unserer Leser zu zerstreuen.