Bewegende Einblicke in unsere Innenwelt

"WOW", ging mir und vielen anderen Menschen auf Facebook vor einigen Tagen durch den Kopf, als wir einen Text von Gerd Jeske, einem der Moderatoren der dortigen Morbus-Crohn-Gruppe, gelesen hatten. Gerd beschreibt in beeindruckenden und vor allem berührenden Worten das Innenleben von Darmpatienten und auf was sich Menschen, welche sich mit uns umgeben, lieber einstellen sollten. Dabei geht es aber nicht nur um unsere kleinen Macken, sondern auch darum, welche Vorteile uns unsere individuelle Leidensgeschichte unter Umständen eingebracht hat.


Auch wenn es noch einzelne Menschen gibt, welche als erstes die Unterschiede zwischen den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und dem Reizdarmsyndrom betonen, so verstehen sich immer mehr Betroffene als große Community. Egal was auf unserem Arztbogen steht, wir leiden alle unter Durchfällen, Schmerzen, den dadurch bedingten seelischen Verletzungen und Ängsten. Auch die Pathophysiologie scheint gar nicht so weit voneinander entfernt, Stichworte Mikroentzündungen und mangelnde Biodiversität der Mikrobiologie. Ich glaube also, dass man in dem tollen Text einfach Morbus Crohn durch Reizdarm ersetzen kann, wenn dieser einen bestimmten Schweregrad erreicht hat.


[Enter Gerd]



Was du wissen solltest wenn du dich in einen Menschen verliebst der unter Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa leidet


Sie sind stark, weil sie es gewohnt sind Angst zu haben, sich unwohl zu fühlen und Schmerzen zu haben.
Aber stark sein bringt nicht nur Vorteile, es kann auch sehr schwierig werden. Sie haben gelernt sich um sich selbst zu kümmern, deshalb kann es eine Zeit dauern bis sie lernen und verstehen, dass du dich auch um sie kümmern willst.


Sie sind Kämpfer, sie sind Überlebenskünstler, weil diese Krankheit unheilbar ist. Es gibt keinen Weg welcher allen hilft.
Es gibt keine individuelle Antwort. Deshalb haben sie gelernt wie sie die Dinge für sich selbst herausfinden können- wie sie die Balance in ihrer Behandlung finden welche ihnen erlaubt ein Leben zu leben welches so normal wie möglich ist.
Es gab wohl Zeiten in ihrem Leben welche echt gut waren. Vielleicht auch Zeiten voller Entspannung welche über Jahre andauerten.
Aber es gab auch Zeiten in denen ihnen die Gesundheit den Rücken zukehrte.


Sie haben gelernt zu kämpfen. Zu kämpfen für ihre Gesundheit, dafür, dass sie glücklich sind und dafür was auch immer ihnen hilft sich besser zu fühlen.
Sie werden auch für dich kämpfen, wenn du sie glücklich machst und ihr Leben aufhellst, sie schön, gut und gesund fühlen lässt und all die anderen Dinge die sie nicht fühlen und sehen können in den dunklen Momenten in denen die Schübe unkontrolliert über sie hereinbrechen und sie Bauchschmerzen haben und sie Angst vor dem Essen haben und Angst haben das Haus zu verlassen.
Diese dunklen Momente sind manchmal sehr, sehr dunkel. Schmerzhaft und frustrierend. Manchmal fühlen sie sich nicht wie Kämpfer.


Sie werden sich schwach fühlen oder traurig oder sie haben Angst und sind sauer auf ihren eigenen Körper. Sie werden versuchen Partys und Gesellschaft zu meiden, weil sie wissen, dass es sie nur noch mehr zurück werfen wird.
Es wird Situationen geben in denen du nichts tun kannst um zu helfen. Du wirst sie leiden sehen, aber du wirst nichts tun können.


Du wirst es auf dich nehmen wollen- die Bauchkrämpfe oder die langen Tage der Magenverstimmungen oder dieses ekelhafte Stechen in der Seite was ihnen nächtelang den Schlaf raubt, aber du wirst nichts tun können.
Du wirst nichts tun können. Du kannst ihren Körper nicht reparieren. Was du tun kannst ist sie zu halten. Deine Finger durch ihre Haare zu streichen, ihre Nerven beruhigen.
Erinnere sie daran, dass sie nicht alleine sind.


Meistens ist das schlimmste die Isolation. Der Wunsch die Krankheit vor anderen zu verbergen .Die Angst und die Scham. Die Notwendigkeit Verabredungen, Partys, Sport, Restaurantbesuche oder lustige Abende abzusagen, weil es der Bauch einfach nicht erlaubt. Und alles was sie dagegen tun können ist lüge oder absagen und im Bett liegen, versuchen den Schmerz zu überschlafen, zu Kräften zu kommen und zu hoffen, dass es morgen besser wird.


Sie fühlen sich einsam. Das ist oft härter als die Krämpfe, der Schmerz und die Sorgen. Es ist die Tatsache, dass sie sich oft fühlen, als wäre ihre Krankheit unsichtbar und als würde sie keiner verstehen.
Oft ist das Beste was du tun kannst, sie daran zu erinnern, dass sie alles sind, nur nicht alleine.


Es wird mit Sicherheit auch wunderschöne Tage geben. Tage an denen sie die Sonne, die Wärme und die Freude draußen zu sein mehr schätzen als die meisten Menschen, weil sie so froh sind auf den Beinen zu sein sich stark und lebendig zu fühlen. Sie lieben die Sonne und die schönen Tage.
Aber sie brauchen diese Tage nicht um die Schönheit des Lebens schätzen zu können. Sie lassen sich nicht von Regentagen oder kaltem Wind und dunklen Wolken abschrecken, weil nichts dunkler ist als den Tag im Bett oder Badezimmer oder Krankenhaus zu verbringen und darauf zu warten bis sie endlich wieder raus können und die Welt weiter entdecken zu dürfen.
Sie brauchen keinen heiteren Tag um zu realisieren, dass es sein schöner Tag ist. Und du wirst die Person sein, mit der sie es teilen wollen.


Sie haben sich selbst in den dunkelsten Momenten kennengelernt und sie wissen den Nervenkitzel des Lebens zu schätzen. Den Nervenkitzel die Welt zu entdecken. Den Nervenkitzel dich zu lieben und sich völlig fallen zu lassen.


Sie werden dich unendlich lieben. Sie werden mit dir lachen .Sie werden dich schätzen und dankbar sein, denn sie wissen wie wichtig Glück ist. Sie werden es lieben dich zu lieben.
Aber es wird auch schlechte Zeiten geben. Sie werden durch viele Höhen und Tiefen gehen, es wird viele Ängste und Unsicherheiten geben.
Auch andere Probleme Machen vor ihnen keinen Halt, nur weil sie Morbus Crohn haben. Diese Probleme werden kommen. Angst, Erschöpfung, Depressionen, Arthritis Schmerzen, Probleme mit verschiedenen Lebensmitteln und ein sehr schwaches Immunsystem.


Es ist eine fortlaufende, andauernde, unheilbare Krankheit, genauso wie es ein fortlaufender, andauernder Kampf ist. Sie sind stark, aber manchmal saugt diese Krankheit so viel Kraft auf, dass sie dich gerade in diesem Moment so stark brauchen, dass du es dir nicht vorstellen kannst. Sie brauchen dich nicht um sie zu heilen oder die Krankheit auf dich zu nehmen oder sich um ihre Probleme zu kümmern.

Sie wollen nicht, dass du sie bemitleidest oder dass du dich für sie schlecht fühlst oder sie behandelst wie ein Baby. Alles was sie wollen ist, dass du sie hältst, sowohl in den schlechten als auch in den guten Momenten, dass du sie erinnerst wie wundervoll das Leben ist und dass du sie erinnerst dass sie verdammt nochmal nicht alleine sind. Weil wenn du an ihrer Seite bist, hilft es ihnen daran zu glauben, dass morgen ein schöner Tag wird…


…Das ist alles was sie brauchen und alles was du tun kannst…