Nach meinem Urlaub gibt es nun endlich wieder einen Blogpost und ich werde mich auch nach und nach allen eingegangenen E-Mails stellen, versprochen!
Wie Sie nur unschwer auf dem Bild links erkennen können, nutzte ich den Aufenthalt in den Alpen (zugegeben mit Hilfe von etwas Nachdruck seitens der Familie ...) auch zu psychotherapeutischen Zwecken. Denn das Fahren mit einer Bergseilbahn, oder wie ich es nenne, "der viel zu lange dauernde Höllenritt in einer schaukelnden Rattenfalle mit schlechter Luft, zu vielen Menschen auf engstem Raum und ohne jegliche Fluchtmöglichkeit bei ständigen unvorhersehbaren Pannen - Steckenbleiben", gehört auch in meinen besseren Darmtagen zu meinen absoluten Horrorvorstellungen. Doch natürlich müssen wir uns unseren Ängsten stellen und Sie können jetzt anhand des Fotos beurteilen, wie entspannt ich dabei war oder eben nicht!
Heute widmen wir uns jedenfalls dem Thema Kleinkind-Koliken. Zumindest ganz am Rande. Das Phänomen ist sehr bekannt und Forscher schätzen, dass etwa jedes dritte Baby von den quälenden Bauchschmerzen und Gasansammlungen betroffen ist. Aber woher die Krämpfe kommen und warum manche Kinder davon verschont bleiben, lag bisher im Dunklen. Doch inzwischen haben einige Wissenschaftler etwas Licht in die Sache gebracht und vielleicht können wir Darm-Patienten von ihren Befunden etwas lernen.
Gute und schlechte probiotische Bakterienstämme?
Nachdem ich vor einiger Zeit den Beitrag über
histaminproduzierende Probiotika gepostet hatte, entspann sich auf Facebook eine interessante Diskussion, bei welcher meine Position, nämlich dass einige Laktobacillus-Spezies dazu in der
Lage sind biogene Amine (darunter Histamin) und Gase zu produzieren und deshalb bei einer Histamin-Intoleranz lieber gemieden werden sollten, infrage gestellt wurde.
Was hat diese Diskussion aber mit Kleinkind-Koliken zu tun?
Sehr viel sogar! Denn in ihrer Untersuchung wies eine Forschergruppe um Savino im Jahr 2005 nach, dass bspw. die Spezies Lactobacillus acidophilus nur in Säuglingen ohne Koliken gefunden wurde, während etwa Lactobacillus brevis nur bei Babys mit Krämpfen aus den Stuhlproben isoliert werden konnte.
Generell werden alle Lactobacilli als Gruppe als Probiotika verstanden. Doch ist dies nach solchen Befunden überhaupt haltbar? Wohlgemerkt handelte es sich bei den Säuglingen um Individuen des
gleichen Alters, welche bisher ausschließlich gestillt worden waren und weder in Kontakt mit Pro- oder Antibiotika gekommen sind. Aufgrunddessen folgerten die Wissenschaftler, dass die entdeckten
Unterschiede in der Kolonisation sehr wohl eine Erklärung für vermehrten Meteorismus und Spannungen (Koliken) sein könnten.
Was ist faul mit Laktobacillus brevis?
Zuerst einmal sind alle Laktobazillen anaerob, was bedeutet, dass sie nicht unbedingt Sauerstoff für ihr individuelles Leben benötigen. Einige Spezies unter ihnen sind fähig, Glukose zu
fermentieren. Dabei entstehen als Nebenprodukte u.a. Karbondioxid und Ethylalkohol.
Andere Spezies, darunter eben Lactobacillus acidophilus, sind förderlich für das Immunsystem und sorgen u.a. für eine gesteigerte Toleranz gegenüber Nahrungsmittelallergenen.
Beide Faktoren kombiniert sorgen für ein sehr unangenehmes Ergebnis: Kleinkinder ohne L. acidophilus, aber mit L. Brevis leiden unter den Endprodukten der Fermentation (ähnlich dem
FODMAP-Prinzip) und sind anfälliger für gastrointestinale Infektionen.
Es scheint also sehr sinnvoll zu sein, nicht alle sog. probiotischen Stämme über einen Kamm zu scheren.
Welche Laktobazillen produzieren ebenfalls Karbondioxid und Ethylalkohol?
Das Stichwort für unsere Recherchen lautet heterofermentierende Laktobazillen (also gasproduzierende Spezies). In dem Fachbuch "Lactic
Acid Bacteria: Microbiological and Functional Aspects" finden wir eine Übersicht. Zu den gasproduzierenden Laktobazillen gehören demnach:
-
Laktobacillus brevis
-
Laktobacillus bunchneri
-
Laktobacillus fermentum
-
Laktobacillus reuteri
Daneben gibt es noch einige fakultativ-heterofermentierende Spezies (siehe Buch).
Was lernen wir RDS-Patienten aus diesen Erkenntnissen?
Grob gesagt sollten wir uns drei Dinge einprägen:
-
Die Fermentation von Kohlenhydraten verursacht Koliken bzw. Meteorismus. (Angriffspunkt 1: Entzug fermentierbaren Materials)
-
Die Fermentation ist abhängig von der Zusammensetzung des Mikrobioms. (Angriffspunkt 2: Modulation der Darmflora via Präbiotika, Diät, Stuhltransplantation etc.)
-
Nicht jedes Probiotikum ist für uns Betroffene geeignet!
Alles Gute und Liebe wünscht Ihnen ein urlaubsmäßig-erholter
Thomas Struppe