In den letzten Wochen trudelten gehäuft Beschwerden in unserer Online-Redaktion ein. Die E-Mails hatten eigentlich immer den selben Subtext:
"Warum geht es in euren Artikeln eigentlich immer um Durchfall? Der Verstopfungstyp innerhalb des Reizdarmsyndroms ist ebenso häufig und wahrscheinlich genauso einschränkend. Wir
würden uns also ebenfalls über hilfreiche Artikel freuen!"
Nach dem Lesen dieser Mails mussten wir erst einmal ganz tief Luft holen, denn unsere lieben Leser hatten absolut recht! Wir hatten einen Teil unserer Community einfach mal so "unter den Tisch fallen lassen". Das geschah natürlich nicht aus böswilliger Absicht, sondern ist viel eher dem Umstand verschuldet, dass der (Haupt-)Autor dieser Seiten und seine Gastautoren allesamt zum Durchfalltyp gehören und auch unsere Klienten fast immer mit Durchfall zu kämpfen haben.
Doch wir geloben Besserung und werden den Verstopfungstyp in Zukunft konsequenter in den Fokus unserer Aufmerksamkeit rücken. Heute möchten wir beginnen, indem wir einen besonders
hartnäckigen Mythos zertrümmern.
Ballaststoffe und ihr guter Ruf
Wenn wir uns der Rolle von Ballaststoffen bei der Verstopfung kritisch widmen möchten, dann kommen wir nicht umhin, eine Art "Schutzschleife" zu ziehen. Denn sobald jemand das Ballaststoffdogma angreift, kann er oder sie sich sicher sein, dass er bald mit wütenden Mails und Kommentaren von Verfechtern desselben konfrontiert wird. Da wissenschaftliche Studien immer wieder zeigen, dass Ballaststoffe nicht nur keine positive Wirkung beim Reizdarmsyndrom haben, sondern sogar schaden können (bisher nur beim Durchfalltyp nachgewiesen, doch jetzt auch beim Verstopfungstypus - siehe nächster Abschnitt), entfällt diese Argumentationslinie. Aus diesem Grund werden meist weitere "Argumente" ins Feld geführt.
Sehr häufig handelt es sich dabei um folgende Diskurse: Aber der Mensch braucht Ballaststoffe, denn ...
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Sie schützen vor Darmkrebs.
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Sie senken das Cholesterin.
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Sie wirken vorbeugend gegen Schlaganfälle.
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Die Darmflora benötigt sie, um gesund und ausgewogen zu bleiben.
In diesem Blogartikel haben wir versucht zu zeigen, wie spekulativ und teilweise unwahr diese Behauptungen sind. Wer sich also nach der Lektüre dieses Blogposts einer ballaststoffarmen Ernährung widmen möchte, um seine Verstopfung endlich in den Griff zu bekommen, der sollte sich den verlinkten Artikel gründlich durchlesen, um sein Gehirn von diesen weit verbreiteten Hypothesen zu befreien.
Von einem Stuhlgang aller vier Tage zu einem täglichen Stuhlgang mit ballaststoffarmer Ernährung!
Wenn Sie bei einem Allgemeinmediziner, Gastroenterologen oder Heilpraktiker erwähnen, dass Sie unter Verstopfung leiden und bereits alle Tests darauf hindeuten, dass es sich "nur" um ein
funktionelles Problem, also einen Reizdarm handelt, dann passiert in 9 von 10 Fällen folgendes: Der Arzt empfiehlt Ihnen, auf eine höhere Ballaststoffzufuhr in Ihrer täglichen Ernährung zu
achten. Meist gibt es dazu noch einen Tipp wie Flohsamenschalen, Kleie o.ä., um ihre Ballaststoffzufuhr noch weiter in die Höhe zu treiben.
Aber warum halten die Mediziner an dieser veralteten Strategie fest, wenn doch inzwischen mehrere Metaanalysen gezeigt haben, dass Ballaststoffe kaum eine positive Wirkung auf den Reizdarm haben? Lange musste ich mir dann in Diskussionen anhören, dass dies ja nur für die Betroffenen mit alternierenden Stuhlunregelmäßigkeiten (Durchfall und Verstopfung im Wechsel) und eben Durchfallpatienten gelte.
Wie falsch und gefährlich diese Behauptung ist, zeigt eine wissenschaftliche Untersuchung von Ho und Kollegen aus dem Jahr 2012, welche
ausschließlich Patienten mit Verstopfung untersuchte.
Die Forscher untersuchten 63 Versuchspersonen mit funktioneller Verstopfung. Die Stuhlfrequenz lag dabei jeweils bei weniger als einem Stuhlgang aller drei Tage. Alle Patienten konsumierten
natürlich (wie es sich nun einmal für einen "braven" Verstopfungstyp gehört) eine ballaststoffreiche Kost und/oder nahmen Ballaststoffsupplemente (und dennoch lag die Frequenz bei unter 1 auf 3
Tage!).
Die Teilnehmer wurden für zwei Wochen auf eine annähernd ballaststofffreie Kost gesetzt (kein Obst und Gemüse, keine Vollkornprodukte, keine Supplemente etc.) und aufgefordert, danach ihre
Ballaststoffzufuhr minimal zu halten.
Was war nach einem halben Jahr zu beobachten?
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41 Teilnehmer hatten die ballaststoffarme Kost beibehalten. Ihre Stuhlfrequenz war von 1/3,75 Tage auf täglich gestiegen!
- 16 Teilnehmer hatten eine moderate Ballaststoffzufuhr gewählt, also weniger Ballaststoffe konsumiert als bisher. Ihre Stuhlfrequenz war von 1/4,19 Tage auf 1/1,9 Tage
gestiegen.
- Schließlich waren 6 Patienten zu ihrer ursprünglichen Ernährung mit vielen Ballaststoffen zurückgekehrt (u.a. weil sie Veganer/Vegetarier) waren. Siehe da: es gab
keinerlei Verbesserungen oder Verschlechterungen.
Weitere interessante Ergebnisse:
Innerhalb der ballaststoffarmen Gruppe reduzierten sich Blähungen und Bauchschmerzen stark. Rektale Blutungen verschwanden ganz und es war kein Pressen nötig, um den täglichen Stuhlgang zu erreichen!
Wenn das mal kein weiterer Sargnagel für die Ballaststoffhypothese beim Reizdarm ist!
Wenn Sie es auf einen Versuch ankommen lassen möchten, dann würden wir uns freuen, wenn Sie Ihre Ergebnisse mit uns teilen würden! Zur weiteren Motivation könnten Sie vielleicht diesen Artikel über Fitnessmodel Rachel
Guy lesen, welche ihre Probleme mit Verstopfung ebenfalls per ballaststoffarmer Diät löste!
Wir wünschen Ihnen ganz viel Erfolg und alles Liebe!
Thomas Struppe und Co-Autoren