Immer wieder werde ich gefragt, welches die wirkungsvollste oder beste Therapie bzw. Behandlungsmethode bei einem Reizdarmsyndrom sei. Darauf kann es eigentlich nur eine Antwort geben:
Das Reizdarmsyndrom ist eine komplexe Erkrankung mit teilweise sehr unterschiedlichen Schweregraden und Ursachen. "Die" Therapieoption, welche also jedem Betroffenen hilft, kann es also gar nicht geben! Vielmehr hängt diese vom Subtyp (also bspw. Durchfall vs. Verstopfung), den individuellen Ursachen (Dünndarmfehlbesiedlung, chronisch-aktive Infektion, Glutensensitivität etc.) und auch den spezifischen Pathomechanismen ab, welche die Krankheitslast verstärken (Copingstil, Vermeidungsverhalten usw.) Eine Therapie muss also immer holistisch und auf den einzelnen Patienten abgestimmt erfolgen.
An letzterem Punkt scheitern meiner Einschätzung nach viele behandelnde Ärzte. Eine komplexe Erkrankung wie das Reizdarmsyndrom lässt sich eben nicht nach Lehrbuch behandeln (Blutwert x erhöht -> gebe Substanz y).
Doch was sagen eigentlich wissenschaftliche Untersuchungen? Gibt es eine Therapie, die sich als besonders wirkungsvoll herausgestellt hat, oder besonders vielen Betroffenen Linderung verschafft? Ja, das ist tatsächlich der Fall und ich verspreche Ihnen, dass Sie überrascht sein werden!
Unser Gewinner hilft mehr Betroffenen als ...
Wie bemisst man die Effektivität verschiedener Behandlungsoptionen bei ein und derselben Erkrankung? Das stellt uns natürlich vor einige Probleme, denn erst einmal wollen wir so
unterschiedliche Ansätze wie Ernährungsinterventionen, Supplemente, verschreibungspflichtige Medikamente und Psychotherapie vergleichen. Aufgrund der oben geschilderten Komplexität und
Heterogenität unserer Erkrankung ist es wohl nicht zielführend die Effektivität anhand der maximalen Verbesserungen für den Einzelnen abzuschätzen. Nehmen wir bspw. an, eine Betroffene
leidet unter einem RDS-D(urchfall), welches nach einer akuten Gastroenteritis aufgetreten ist. In ihrer DNA-Stuhlanalyse fanden wir Hinweise auf eine chronisch-aktive Infektion. Durch die Gabe
eines entsprechenden Breitbandantibiotikums (bspw. Rifaximin) würden wir diese Patientin vielleicht komplett beschwerdefrei bekommen! Doch gilt dies auch für weitere Patienten mit
anderen Ursachen? Sicher nicht.
Diese Methode eignet sich also nicht für einen Vergleich, zumindest nicht beim Reizdarmsyndrom. Ein anderer Indikator wird in der medizinischen Fachliteratur number-needed-to-treat (NNT)
genannt. Die jeweilige Ziffer beschreibt die Anzahl von Patienten, welche in Studien mittels Intervention oder Medikament x behandelt werden musste, um einer weiteren Versuchsperson signifikant
Abhilfe zu verschaffen. Je geringer die Ziffer, desto mehr Patienten hilft der jeweilige Wirkstoff oder die Therapie. Wir betrachten also nicht, welche Maßnahme einzelnen
Patienten am stärksten hilft, sondern welche Einflussfaktoren die Beschwerden möglichst vieler Betroffener signifikant lindern.
Beispiel: Die NNT für die low-FODMAP-Diät lag in einer Untersuchung bei 3. Sie gehört damit zu den wirksameren Ansätzen (im dem Sinne, dass viele Patienten von ihr profitieren)
beim Reizdarmsyndrom. Eine NNT von 3 bedeutet nichts anderes, als dass man drei Betroffene mit RDS auf diese Diät setzen muss, damit einer von ihnen seine Symptome signifikant verringert. Dabei
muss bedacht werden, dass die Therapieziele sehr unterschiedlich sein können, die Zeiteinheiten variieren und u.U. verschiedene Subgruppen einbezogen werden.
NNTs in randomisierten und kontrollierten Studien:
-
xxx (NNT 2,5)
- Ramosetron (RDS-D in Japan etc.; NNT 2,57; u.a. Fukudo und Kollegen, 2014)
- low FODMAP Diet (NNT 3; u.a. Staudacher und Kollegen, 2012)
- Kognitive Verhaltenstherapie (NNT 3,1; u.a. Drossman und Kollegen, 2003)
- Antidepressiva (NNT 4; u.a. Ruepert und Kollegen, 2011)
- Probiotika (NNT 4; u.a. Moayyedi und Kollegen, 2010)
- Bauchhypnose (NNT 5; u.a. Schaefert und Kollegen, 2014)
- Mebeverin (NNT 6; siehe MFCPG-Study Guide)
- Alosetron (RDS-D in USA; NNT 7,5; u.a. Lucak, 2012)
- Rifaximin (Antibiotikum; NNT 10,2; u.a. Menees und Kollegen, 2014)
- Ballaststoffe (NNT 11; u.a. Ford und Kollegen, 2008)
- Tegaserod (NNT 14, u.a. Evans und Kollegen, 2004)
Ich denke diese kurze aber hoffentlich interessante Aufstellung sollte erst einmal genügen. Für viele Leser ist es sicherlich verwunderlich, wie hoch sich die natürlichen Methoden (Diät,
Probiotika, Psychotherapie und Hypnose) platzieren, während die "chemischen Keulen" Rifaximin, Alosetron und Tegaserod die letzten Plätze mit den Ballaststoffen teilen. Sehr oft erlebe ich
Klienten und andere Betroffene, welche den natürlichen Interventionen nicht mit dem nötigen Respekt begegnen. Schließlich kann ja nur helfen, was ein Arzt erst verordnen muss und natürlich
ordentlich Geld kostet, nicht wahr?
Natürlich kann man eine solche Aufstellung kritisieren, denn sie vergleichst sehr unterschiedliche Outcomes. So wissen wir, dass Loperamid bspw. in annähernd 100% der Patienten mit RDS-D die
Stuhlkonsistenz verbessert bzw. die -frequenz senkt. Die allgemeinen Scores werden dabei kaum verändert, da Loperamid u.a. Blähungen und Bauchkrämpfe sogar verstärken kann. Da die Ergebnisse für
das Antidiarrhoikum zu instabil waren, habe ich sie nicht in diese Wertung aufgenommen.
Neueste Studien zeigen eine Verbesserung um 40%
Cash und
Kollegen (2015) behandelten Reizdarmpatienten über 4 Wochen entweder mit einem Placebo oder unserem gesuchten Wirkstoff x. Es handelte sich um eine randomisierte, placebo-kontrollierte
Doppelblindstudie. Bereits nach 24h verbesserte sich der globale Symptomscore mit Wirkstoff x um ein Fünftel. Nach vier Wochen Behandlungszeit hatte sich der Symptomscore (TISS) sogar um 40%
reduziert.
Der Wirkstoff wurde gut vertragen und es gab nur sehr wenig beobachtete Nebenwirkungen.
Ein einzelner RCT sagt nicht viel, wie steht es mit Meta-Analysen?
Natürlich wurde unser gesuchter Wirkstoff schon weitaus schwierigeren und umfassenderen Prüfungen unterzogen. So berichten Khanna und Kollegen (2014) von neun
qualitativ-hochwertigen Untersuchungen an insgesamt 726 Reizdarm-Betroffenen. Wirkstoff x zeigte sich signifikant wirksam mit den größten Auswirkungen auf die globalen Symptomscores und
Bauchschmerzen.
Obwohl der Wirkstoff mehr Nebenwirkungen als Placebo provozierte, waren diese sehr mild und verschwanden meistens mit der Zeit.
Trommelwirbel: Und Wirkstoff x ist ...
Haben Sie vielleicht schon einen Verdacht, welches Mittel mehr Betroffenen hilft als Ramosetron, Antidepressiva, Probiotika, low-FODMAP und Duspatal? Ein Wirkstoff, welcher innerhalb kurzer Zeit den globalen Symptomscore drastisch reduziert und dabei noch sehr wenige Nebenwirkungen zeigt.
Ich gebe Ihnen noch einen weiteren Hinweis: Das gesuchte Mittel ist recht günstig zu haben und Sie brauchen dafür nicht einmal eine ärztliche Verordnung. Klingt fast zu gut, um wahr zu sein?
Es handelt sich um das gute, alt-bekannte Pfefferminz-Öl.
Sind Sie jetzt enttäuscht? Sicherlich haben Sie etwas neues, bahnbrechendes erwartet, das Sie gleich morgen ausprobiert hätten. Doch genau diesen Zweck sollte dieser Artikel erfüllen:
Es ist nicht immer die Jagd nach der neuen Wunderpille. Es muss auch kein teures Probiotikum, oder eine verschreibungspflichtige "Chemiebombe" mit vielen Nebenwirkungen sein. Warum konzentrieren wir uns nicht einfach auf die Dinge, welche laut wissenschaftlichen Untersuchungen helfen?
Schauen Sie sich obige Liste noch einmal genau an. Haben Sie schon einmal versucht, einige der wirkungsvollsten Ansätze zu kombinieren? Dazu brauchen Sie weder einen guten Arzt, noch viel Geld. Pfefferminz-Öl, Ernährung umstellen, Stressmanagement, Probiotika. Es gibt genug, was wir unternehmen können. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass einfache, uns bereits bekannte Mittel vielleicht effektiver sind, als wir es ihnen zugestehen wollen.
Wenn Sie also noch nie Pfefferminz-Öl probiert haben und vor allem unter Bauchschmerzen und Unwohlsein leiden, dann kann ich Sie nur ermuntern!
Liebe Grüße und nur das Beste
Thomas Struppe