Es passiert recht selten, dass ich und meine Frau Anne beide von ein und dem selben Buch begeistert sind. Treue Leser wissen, dass ich eher zu trockener Fachliteratur neige. Die meisten Kochbücher schaue ich mir ein-, manchmal auch zweimal an, hole mir einige Anregungen für meine Küchenexperimente, um sie dann auf immer und ewig in den Tiefen meiner Bücherregale verschwinden zu lassen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass ich, was meine eigene Ernährungspraxis angeht, ein ziemlicher Purist bin (dies hat sowohl mit meiner kindlichen Sozialisation, als auch mit der früh entdeckten Athletik zu tun). Mich stört es nicht, wenn meine Teller und Schüsseln eigentlich immer gleich aussehen.
Doch schnell belehrten mich meine Klienten, Leser und Zuschauer eines Besseren. Ich gehöre damit wohl zu einer absoluten Minderheit. Auch der Rest meiner vierköpfigen Familie misst den Mahlzeiten an sich eine viel größere Bedeutung zu als ich selbst. Es geht nicht nur um Funktionen und Eigenschaften einzelner Lebensmittel, sondern um Genuss. Dazu zählen natürlich der Geschmack, der Geruch, die Frische und auch Qualität der Lebensmittel. Doch auch das Erlebnis des gemeinsamen Zubereitens, das Ausprobieren und Abschmecken neuer Rezepte und das Gefühl, sich und seinen Liebsten etwas Gutes zu tun. Langer Rede kurzer Sinn: Gutes Essen macht für die allermeisten von uns einen großen Teil unserer Lebensqualität aus.
Da ich mich selbst eher in der Theorie zuhause fühle, bin ich immer auf der Suche nach guten Ratgebern, welche die Praxis für meine Klienten und Leser etwas einfacher gestalten. Mitunter können einige Bücher sogar den Unterschied zwischen dem Erfolg oder dem Scheitern einer Therapie ausmachen. Denn egal, ob Paleo, SCD oder Low-FODMAP-Konzept - über den Erfolg entscheidet letztendlich ein Faktor:
Ist der Anwender in der Lage diese Diät dauerhaft und ohne größere Abweichungen durchzuhalten, ja sogar Freude und Lust daran zu gewinnen?
Viele von uns leiden an multiplen Erkrankungen, kämpfen sozusagen an mehreren Fronten gleichzeitig. Deshalb ist manchmal der Einsatz sehr limitierter Ernährungskonzepte notwendig. Ich denke da in erster Linie das Autoimmun-Protokoll, die strikte SCD ("mind the 4 horsemen!") und auch die ersten Phasen der GAPS-Diät. So effektiv diese Diäten in der Theorie auch sein mögen, schnell stellt sich gerade Neueinsteigern die Frage: "Wie kann ich aus diesen wenigen erlaubten Zutaten einen ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährungsplan erstellen?" Übernehmen Langeweile beim Essen, fehlende Snacks im Alltag und Heißhunger auf Alternativen dann die Überhand, nützt das ausgefeilteste Konzept nichts.
"Das Autoimmun-Paleo-Kochbuch" von Mickey Trescott, erschienen im Verlag Unimedica, ist definitiv eine kleine Schatztruhe voller toller Ideen und Anregungen, welche für einen gelungenen Einstieg in eine solche Ernährung sorgen werden. Anne nahm inzwischen schon mehrere Rezepte in unsere Familienküche auf und zeigte sich besonders von der leichten Umsetzbarkeit begeistert, während mir besonders die vielen Praxistipps rund um das Kochen gefallen.
In den folgenden Abschnitten werde ich euch einige Impressionen aus dem Buch zeigen und etwas genauer auf den Inhalt eingehen.
Was ist eigentlich Autoimmun-Paleo?
Das Paleo-Autoimmun-Protokoll (AIP) ist eine spezifischere Variante der klassischen Paleo-Diät oder auch Steinzeiternährung. Die Ernährungsweise zielt durch ihre besondere Ausgestaltung auf die Linderung von Autoimmunerkrankungen wie chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Zöliakie, Hashimoto usw.
Die "klassische" Paleoernährung folgt, ganz schlicht gesprochen, zwei Hypothesen:
- Auch der moderne Mensch hat sich an viele "Errungenschaften", die (evolutionstechnisch gesehen) erst kürzlich den Weg in unsere Ernährung fanden, nicht ausreichend angepasst (Beispiele wären Getreide und Milch).
- Typische Lebensmittel, welche schon sehr früh in der Hominisation verspeist wurden, sind für den Menschen gesundheitsförderlich (Nährstoffdichte bei wenigen problematischen Inhaltsstoffen), während später erschlossene Nahrungsmittel oft Nahrungstoxine enthalten, eine schlechte Nährstoffdichte bieten, oder aber sogar vom Körper mangels Anpassung als Fremdstoffe erkannt werden (z.B. beeinflusst Gliadin aus Weizen die Darmbarriere negativ).
Ich möchte mich hier nicht weiter mit dem Für und Wider dieser Hypothesen beschäftigen (denn natürlich kann man an dem Konzept der Paleo-Diät berechtigte Kritik üben und die Argumente sind mir wohl bekannt). Viel wichtiger ist mir nämlich ein anderer Punkt: Die Steinzeiternährung ist ein für mich persönlich genialer Ausgangspunkt zur Optimierung von Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Viele für uns Betroffene problematische Nahrungsbestandteile werden eliminiert: Gluten (Darmbarriere), Amylasetrypsininhibitoren, Fruktane, Casein usw. Andererseits erhöht die Paleokost meist die Einnahme von Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Dass die Paleoernährung tatsächlich wirkt, zeigt inzwischen auch die Wissenschaft (Fontes-Villalba, 2016; Frasetto et al., 2009; Jönsson et al, 2009; Osterdahl et al., 2008; u.a).
Und was ist nun der Unterschied zwischen klassischem Paleo und AIP?
Der auffälligste Unterschied besteht in einer strengeren Auslegung der Bewertung, welche Lebensmittel als gesundheitsförderlich oder problematisch anzusehen sind. So werden bspw. auch Nüsse und Nachtschattengewächse (z.B. Tomaten) untersagt, während diese beim klassischen Paleo sogar empfohlen werden. Nun sind Nüsse und Tomaten für einen gesunden Organismus sicherlich nicht schädlich, im Gegenteil! Aber Menschen mit einer gestörten Darmbarriere oder einer chronischen Aktivierung des Immunsystems werden von deren Meidung profitieren.
Weiterhin legt AIP einen besonderen Augenmerk darauf, was gegessen werden sollte. Dieser Aspekt ist genauso wichtig wie die Elimination verschiedener Lebensmittel. Organfleisch, Omega-3 reiche Nahrungsmittel, grünes Gemüse usw. sollten regelmäßig verzehrt werden. Die Aufnahme von Nährstoffen ist ein wichtiges Kriterium der Diät.
Und als dritter Punkt muss festgehalten werden: AIP ist keine dauerhafte Ernährungsform. Viele von euch kennen das Prinzip der FODMAP-Reduktion. Nach einer sechs- bis achtwöchigen Eliminationsphase werden in "Rechallenge-Einheiten" systematisch neue Lebensmittel eingeführt. Ähnlich ist dies mit dem AIP. Haben sich bestimmte körperliche Veränderungen eingestellt (etwa die Stabilisierung der Darmbarriere - Leaky Gut Syndrom), erweitert man Stück für Stück den Speiseplan. Erstes Ziel wäre die klassische Steinzeiternährung (also zusätzlich bspw. Nüsse, Eier, mehr Obst) - später auch Varianten wie die Perfect Health Diet mit Kartoffeln etc.
Das Autoimmun-Paleo wirkt über vier Mechanismen:
- Nährstoffdichte und Behebung von Mangelerscheinungen
- Darmgesundheit (Mikrobiom)
- Regulation des Hormonsystems
- Regulation des Immunsystems
Wie erfolgreich das AIP bei Autoimmunstörungen hilft, wurde eindrucksvoll an Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen demonstriert (Konijeti et al., 2017).
Nicht nur ein Kochbuch!
Was ist nun das Besondere am "Das Autoimmun-Paleo-Kochbuch"? Ich persönlich mag Bücher mit Mehrwert. Wenn es schon ein Kochbuch ist, dann will ich darin irgendetwas finden, dass ich bspw. im Internet nicht auch bekomme. Gleich zu Anfang möchte ich sagen, dass der Autorin, Mickey Trescott, welche unter Zöliakie und Hashimoto leidet, dieses Kunststück absolut gelungen ist.
Das Buch ist vor allem eins - praxisorientiert. Die theoretischen Einlassungen sind kurz und bündig gehalten und eher eine obligatorische Übersicht als eine tatsächliche Erklärung des Konzeptes. Wer sich also gründlich über die wissenschaftliche Theorie hinter dem AIP informieren möchte, sollte zu einem anderen Werk greifen. Die frei gewordenen Seiten nutzt die Autorin dann für nützliche Tipps und Tricks zur Vorratshaltung, Küchenausstattung, Einkauf, Vorkochen großer Mengen usw.
Doch damit nicht genug! Bei meinen Klienten beobachte ich immer wieder, dass eines der größten Probleme in der Organisation der Nahrungszubereitung besteht. Haben sie einmal verstanden was sie essen dürfen und sollen, stehen sie häufig vor einem chaotischen Alltag und jonglieren eine glühende gusseiserne Pfanne zwischen der Gute-Nacht-Geschichte für die Kleinen und dem in fünf Minuten beginnenden Elternabend. Die Autorin löst dieses Startchaos ganz angenehm und unkompliziert auf, indem sie fertige Ernährungspläne anbietet. Diese enthalten nicht nur Vorschläge für die einzelnen Mahlzeiten, sondern auch Anmerkungen zum Anfertigen weiterer Portionen oder dem Einfrieren für einen späteren Zeitpunkt. Extrem hilfreich sind auch die beigefügten Einkaufslisten. Durch die Integration dieser Vorschläge in einen mehrwöchigen Plan bleibt kaum etwas dem Zufall überlassen und der Start der Diät wird um einiges unproblematischer verlaufen!
Was gibt es denn heute Leckeres, Schatz?
Die Rezepte im Buch sind vielfältig und für nahezu jeden Geschmack ist etwas dabei. Meine Frau kam regelrecht ins Staunen, was mit einer so eingeschränkten Zahl von Zutaten alles kochbar ist. Eingeteilt sind die Rezepte in die Kategorien:
- Paleo-Basics, Darmgesundheit (Sauerkraut, Kefir ...)
- Vorspeisen & Snacks
- Getränke (Smoothies, Chai ...)
- Dressings und Saucen (Unsere Lieblingsabteilung!)
- Salate
- Suppen & Eintöpfe
- Gemüse
- Geflügel
- Fisch & Meeresfrüchte
- Rind & Lamm
- Süßspeisen & Dessert
Einen besonderen Leckerbissen stellen für unsere Familie die Rezeptsammlungen zu den Kategorien "Süßspeisen" und "Dressings und Saucen" dar. Es ist kaum zu glauben, wie sehr man ein bekanntes Gericht durch das Experimentieren mit neuen Saucen geschmacklich verändern kann. So wird das Hähnchen im Gemüsebeet jedenfalls nie öde! Das große Problem Geburtstage und andere Feierlichkeiten wird ebenfalls berührt. Es finden sich Rezepte für Eis am Stiel und sogar für "Käsekuchen"! Für Menschen, die sich erst seit kurzer Zeit mit dem Thema Darmgesundheit beschäftigen, sind sicherlich auch die Anleitungen zur Herstellung von Sauerkraut, Kefir und Kombucha sehr interessant.
Ansonsten überzeugen die Rezepte durch ihre Schlichtheit. Obwohl sie wirklich lecker sind, ist die Zubereitung meist spielend einfach. Oft wird mit der Backröhre gekocht, was mir persönlich sehr entgegen kommt, da ich meine freie Zeit lieber den Kindern widme, als an der Pfanne zu schmoren.
Und auch noch etwas für die Augen!
Das Buch kommt stabil und schwer im Hardcoverformat und bietet 318 farbige Seiten mit zahlreichen Tabellen und Fotos. Die Bilder der Rezepte wurden großformatig von dem Fotografen Kyle Johnson in Szene gesetzt und passen in ihrer Darbietung mit viel Holz und rustikalem Flair gut zum Konzept der Steinzeiternährung. :)
Ich bin wirklich begeistert, welche Mühe sich die Verlage heute bei der Gestaltung ihrer Werke geben. Als das Buch während meiner aktiven Lesezeit viel Zeit auf dem Küchentisch verbrachte, fingen immer wieder Besucher an, darin zu blättern. Kommentare wie "Oh, das sieht aber toll aus!", oder "Das könnt ihr doch mal für uns kochen!", zeigten, dass die wunderschönen Bilder und die Zusammenstellung der Gerichte den Nerv unserer Besucher trafen. Einen großen Pluspunkt gibt es außerdem von mir und Anne, weil das Buch auch unsere vielen vegetarischen oder veganen Freunde nicht abschreckte. Viele tolle Gemüsegerichte vereinen Steinzeitanhänger und Pflanzenköstler friedlich an einem Tisch!
Abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass dieses Kochbuch in die Küche jedes Betroffenen gehört, welcher sich mit Paleo-AIP, SCD, GAPS usw. beschäftigt. Für die letztgenannten Diäten ist das Buch ebenfalls ein wahrer Fundus, vor allem wenn man sie in den von Elaine und Natasha ursprünglich vorgesehenen Phasen absolviert. Annähernd alle Rezepte sind SCD-legal (aufpassen bei Süßkartoffeln und Co!)
Das Buch hat sich souverän und im Sturm in meine TOP3 der praktischen Ernährungsbücher eingereiht und ich verleihe es inzwischen gern an Klienten.
Her mit den Rezepten!
Diese Rezension ist wie gewohnt unabhängig und nicht kommerziell. Ich erhalte keine Zahlungen oder sonstigen Vergütungen vom Verlag oder den Autoren und empfehle nur Bücher, in welchen ich einen Mehrwert sehe.
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