Mastozytose oder Reizdarm?

Im Jahr 2012 sorgte das Bekanntwerden des so genannten Mastzellüberaktivitätssyndroms für einen Hype unter den Reizdarmpatienten. Es kursierte ein "Diagnosefragebogen", auf dem die meisten Reizdarm Betroffenen einen sehr hohen Score erzielten. Litten also all diese Menschen statt an einem Reizdarm, an einer Mastzellüberaktivität?

 

Wohl kaum. Der Diagnosefragebogen war eher unspezifisch. Natürlich litten fast alle angesprochenen Reizdarmpatienten an gastrointestinalen Symptomen. Auch vegetative und psychiatrische Beschwerden sind keine Seltenheit. Weiterhin sind angegebene Marker (bspw. Chromogranin A) bei Reizdarm Patienten ebenfalls erhöht.

 

Der Aufruhr um den Fragebogen und die Aussicht auf eine alternative und vor allem behandelbare Diagnose Mastzellüberaktivitätssyndrom reizte viele Reizdarm Betroffene, die umfangreiche Basismedikation einfach einmal auszuprobieren: Antihistaminika, Cromoglicinsäure, hochdosiertes Vitamin C. Nachdem sich viele Betroffene untersuchen ließen bzw. auf eigene Faust therapierten, klang der Hype genauso schnell wieder ab, wie er gekommen war. Einige wenige Patienten hatten Erfolge verbuchen können, während der viel größere Teil unverändert war, jedoch viel Geld für Medikamente und Diagnostik ausgegeben hatte.

 

Wir wissen, dass sich im Darm besonders viele Mastzellen befinden. Diese speichern Histamin. Aus diesem Grund kommt es bei einer Histaminintoleranz auch zu deutlichen gastrointestinalen Beschwerden, die schnell mit einem Reizdarm verwechselt werden bzw. mit diesem assoziiert sind.

 

Die Mastzellen sind bei einem Reizdarm meist mitbetroffen. Dies könnte u.a. erklären, warum viele Reizdarm Betroffene auch auf andere Triggerfaktoren (Stress, Hitze, Sport) reagieren. Leiden sie deshalb unter einer sehr seltenen genetischen Erkrankung: Nein.

 

Viel plausibler ist die Erklärung, dass die Patienten mit zunehmender Krankheitsgeschichte anfälliger auf Histamin werden (histaminproduzierende Darmbakterien, getriggerte Mastzellen etc).

 

Die umfangreiche Diagnostik hinter der Systemischen Mastozytose lohnt sich deshalb ohne das Vorliegen weiterer Krankheitszeichen (bspw. auf der Haut) deshalb unserer Einschätzung nach für Reizdarm Patienten nicht.