Liebe Alltagsheldinnen und Mitstreiter gegen die sieben Gehörnten Dämonen! Ich freue mich, dass ihr erneut den gefahrvollen und mit vielen ablenkenden Sinnenfreuden gespickten Weg durch das Labyrinth des Weltennetzes in meine beschauliche Hütte gefunden habt! Auch heute möchte ich euch wieder in meiner Studierstube in die Geheimnisse der Alchemie und Heilkunde einweihen. Unsere gemeinsame Arbeit am Goldenen Kompass zur Linderung und Heilung des Reizdarmsyndroms möge also fortgesetzt werden ...
Eine kurze Erinnerung: Die "Goldene Kompass- Reihe" beschäftigt sich mit verschiedenen in der Wissenschaft bereits etablierten oder noch potenziellen Biomarkern, Laboranalysen und Prädiktoren, welche uns wertvolle Hinweise für das individuelle positive Ansprechen auf eine bestimmte Intervention geben können und zwar noch bevor wir uns jener unterziehen. Der richtige Gebrauch dieses "Goldenen Kompasses" kann uns dadurch sehr viel Zeit, Kosten und Anstrengungen bewahren. Vor allen Dingen kann er uns aber vor herben Enttäuschungen behüten, wenn wir nach vielen Monaten der Therapie, beispielsweise mit einer aufwendigen Ernährungsumstellung, feststellen sollten, dass diese für uns nicht von Erfolg gekrönt war und wir eventuell wertvollste Zeit verschenkt haben.
Im vergangenen Artikel haben wir uns mit der Möglichkeit der Heilung des Reizdarmsyndroms durch die glutenfreie Kost beschäftigt (Nein, ich übertreibe nicht - Lies dir bitte die Ergebnisse der im Artikel besprochenen wissenschaftlichen Untersuchungen durch!) und sind dabei auf die wichtigsten Prädiktoren eingegangen, deren positive Erhebung eine solch drastische Verbesserung der Beschwerden sehr wahrscheinlich macht.
Dem gleichen Prozedere werden wir im heutigen Artikel die wohl inzwischen populärste Ernährungstherapie zur Linderung von Reizdarm-Beschwerden, die low-FODMAP-Diät, unterziehen. Denn ganz ähnlich wie bei der glutenfreien Intervention läuft bei diesem durchaus vielversprechenden Konzept noch immer alles auf das Vorgehen nach "trial and error" hinaus. Nur etwa 50% der Patienten mit einem Reizdarmsyndrom reagieren mit adäquaten symptomatischen Verbesserungen. Wir Betroffenen sind also gezwungen, der FODMAP-Reduktion wertvolle Monate zu widmen und können uns nicht einmal sicher sein, ob wir uns mit dem Entzug der präbiotischen Kohlenhydrate überhaupt etwas gutes tun.
Ach hätten wir doch nur einen "Goldenen Kompass", der uns zeigt, ob das Beachten der kurzkettigen fermentierbaren Kohlenhydrate der richtige Weg für uns persönlich ist ... Äh, Moment! Ich verspreche euch, ihr wackeren Recken, Streunerinnen und Amazonen-Kriegerinnen, wir haben ihn schon!
Inhaltsverzeichnis - Was du in diesem Artikel lernen wirst:
- Was FODMAPs eigentlich sind und wie es zum kometenhaften Aufstieg der Diät kam.
- Warum nur einige Betroffene wirklich stark vom FODMAP-Konzept profitieren.
- Weshalb wir den Goldenen Kompass benötigen, um unnötigen Aufwand zu vermeiden und sogar mögliche Schäden durch die FODMAP-Reduktion zu verhüten.
- Wann und wem die low-FODMAP-Diät beim Reizdarmsyndrom hilft.
- Wo du diese Marker und Laboranalysen unproblematisch (und auch ohne deinen Arzt) bestimmen lassen kannst.
Einleitung: Was sind eigentlich FODMAPs und wofür steht der Begriff?
Was bedeutet also der Begriff "FODMAP"? Zuerst einmal solltest du wissen, dass es sich bei dem Begriff FODMAP um ein Akronym handelt, also ein kurzes Kunstwort, welches sich aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zusammensetzt. Die einzelnen Buchstaben stehen dabei für ...
Fermentable (fermentierbare)
Oligosaccharides (Mehrfachzucker)
Disaccharides (Zweifachzucker)
Monosaccharides (Einfachzucker)
And (und)
Polyols (Zuckeralkohole)
Benutzen wir das Akronym "FODMAP" sprechen wir also über eine ganze Gruppe fermentierbarer und kurzkettiger Kohlenhydrate. Letztere Eigenschaft dient dabei der Abgrenzung zu den so genannten Polysacchariden oder zu deutsch Vielfachzuckern, etwa den verschiedenen Formen der Stärke in beispielsweise Reis oder deinen morgendlichen Haferflocken. Erstere Eigenschaft, die Fermentierbarkeit, bezieht sich hingegen auf die eher ungenügende Verdauungsmöglichkeit dieser kurzkettigen Kohlenhydratgruppen durch den menschlichen Gastrointestinaltrakt. Die später von uns noch näher zu beschreibenden FODMAPs sind der Aufspaltung und Absorption in unserem Dünndarm nur teilweise zugänglich, so dass ein großer Teil von ihnen diesem Prozess entgehen und dadurch in den Dickdarm gelangen kann. Der Umstand, dass die FODMAPs sich erfolgreich der menschlichen Verdauung widersetzen, bedeutet allerdings keineswegs, dass diese nicht in unserem Körper verwertet würden. Über viele Millionen Jahre haben sich viele der mit uns in einer Symbiose lebenden Mikroorganismen (v.a. Darmbakterien) auf die Verstoffwechselung eben jener "Überbleibsel" der menschlichen Verdauung spezialisiert. Dein Mikrobiom (die Darmflora) nutzt FODMAPs also als eine primäre Nahrungsquelle und bedankt sich für dein tägliches "Anfüttern" mit der Produktion verschiedener Stoffwechselendprodukte.
Dieser Vorgang kann, je nach dem Zustand deiner Darmgesundheit, positive oder negative Folgen nach sich ziehen:
- Für gesunde Menschen fungieren die FODMAPs in erster Linie als Präbiotika, also erwünschte Nahrung für die Darmflora, welche zur Produktion und zum Erhalt einer gesunden Artenvielfalt und Komposition des Mikrobioms entscheidend beiträgt. Gerade auch viele probiotische (die menschliche Gesundheit positiv beeinflussende) Bakteriengattungen, etwa die Bifidobakterien, verlassen sich auf diesen spezifischen Treibstoff (siehe Probleme mit der FODMAP-Diät). Wie du gleich sehen wirst, finden sich FODMAPs in vielen durchweg als "gesund" zu bezeichnenden Lebensmitteln wie Äpfeln, Blumenkohl, Hülsenfrüchten und vielen Nüssen.
- Für Menschen mit einer besonderen Form der Dysbiose (einer ungünstig veränderten Darmflora), wie wir sie beim Reizdarmsyndrom, den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, aber auch der Fibromyalgie beobachten können, kann der eigentlich erwünschte Konsum dieser präbiotischen Kohlenhydrate allerdings über verschiedene Wirkmechanismen (siehe unten) zu einer Verstärkung der gastrointestinalen und systemischen Beschwerden (Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen, Gelenkschmerzen) führen, während die weitgehende Elimination der FODMAPs aus der Ernährung die globalen Symptome bei vielen Betroffenen lindert.
Nach der Jahrtausendwende entstanden sukzessive die Hypothesen des FODMAP-Konzeptes. Dr. Peter Gibson und Dr. Susan Shepherd können als Gründerväter (und natürlich -mütter) des übergreifenden Rahmens gelten, wobei sie sich auf zahlreiche Untersuchungen mit schwer verdaulichen Kohlenhydraten und viele theoretische Vorarbeiten stützen konnten (auch die Spezielle Kohlenhydratdiät [SCD] beruht auf ganz ähnlichen Hypothesen). Im Jahre 2005 publizierten die beiden australischen Forscher ihre Theorie der FODMAPs erstmals in einem Fachjournal (Gibson & Shepherd,2005). Obwohl es sich heute bei der low-FODMAP-Diät wohl um die Ernährungstherapie für den Reizdarm schlechthin dreht, soll hier einmal daran erinnert werden, dass die Diät ursprünglich als eine mögliche Ursache und Therapie von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa diskutiert wurde (wieder in Anlehnung an die tollen Erfolge der älteren "Schwester" SCD) und auch die ersten Studien an CED-Patienten durchgeführt wurden (z.B. Gearry et al.,2009). Es folgten zahlreiche "proof-of-concept"-Untersuchungen, welche die vermuteten Pathomechanismen bestätigten und die Schlüssigkeit des Konzeptes untermauerten (etwa Barret et al.,2009; Ong et al.,2010).
Schließlich wurde die Effektivität der FODMAP-Reduktion durch klinische randomisierte und kontrollierte Untersuchungen für verschiedene Erkrankungen bestätigt, darunter ...
- das Reizdarmsyndrom (Varju´et al.,2017)
- die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Bodini et al.,2019)
- die Fibromyalgie (Marum et al.,2016)
- die Zöliakie; in Ergänzung zur glutenfreien Kost (Roncoroni et al.,2018)
Welche Kohlenhydrate zählen zu den FODMAPs und in welchen Lebensmitteln sind diese enthalten?
Die einzelnen FODMAP-Kategorien (Einfachzucker, Zweifachzucker, Mehrfachzucker und Zuckeralkohole) lassen sich in jeweils mehrere problematische Kohlenhydrat-Subgruppen auflösen (siehe nachstehende Tabelle). Zu beachten ist, dass nicht jeder Vertreter einer Kategorie auch ein FODMAP sein muss. So ist beispielsweise Traubenzucker, ein Vertreter der Monosaccharide oder eben Einfachzucker für nahezu alle Patienten vollständig unbedenklich, da er problemlos im oberen Drittel des Dünndarms resorbiert wird, während sein Cousin Fruktose (mit einer ähnlichen chemischen Struktur) aufgrund eines zusätzlich benötigten Transporters signifikant schlechter aufgenommen wird und dadurch erhebliche Beschwerden induzieren kann.
Kategorie |
Kohlenhydrat |
Kommt beispielhaft vor in ... |
Monosaccharide (Einfachzucker) |
Fruktose (Fruchtzucker) |
Früchte Honig einige Gemüsesorten (Spargel, Artischocken) Süßungsmittel und verschiedene Zuckerarten |
Disaccharide (Zweifachzucker) |
Laktose (Milchzucker) |
Milch und einige Milchprodukte als Träger von Aroma- und Farbstoffen in Fertiglebensmitteln |
Polyole (Zuckeralkohole) |
Sorbit Xylit Mannit Maltit Isomalt |
Süßungsmittel als kalorienarmer Zuckerersatz oder Diabetikerprodukt Zahnpflegeprodukte Feuchthaltemittel in Lebensmitteln, v.a. Süßwaren Obst und Gemüse (z.B. Apfel, Nektarine, Blumenkohl, Pilze) |
Oligosaccharide (Mehrfachzucker)
|
Galaktooligosaccharide |
v.a. Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen |
Fruktane |
Gemüse (Knoblauch und Zwiebeln) Getreide (Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste) Früchte (Nektarine, Wassermelone) Nüsse (Cashews, Pistazien) |
|
Inulin und Fruktooligosaccharide |
Gemüse (Chicoree, Schwarzwurzel) als präbiotischer Nahrungszusatz in Müsli, Joghurt etc. als Fettersatz in Aufstrichen usw. |
Warum funktioniert die low-FODMAP-Diät und welche Pathomechanismen sind bereits bekannt?
- Übermäßige Produktion von Gasen und osmotische Effekte (s. Staudacher et al.,2014). Bei der Verstoffwechselung der FODMAPs durch die Darmbakterien des Dickdarm-Mikrobioms kommt es zur Freisetzung verschiedener Stoffwechselendprodukte. So entstehen neben den wichtigen kurzkettigen Fettsäuren auch Gase wie Wasserstoff und Methan, welche zu Blähungen, Bauchschmerzen und Darmkrämpfen führen können. Vermittelt wird die empfundene Intensität der Beschwerden vor allem auch durch die bei einem Reizdarm vorliegenden viszerale Hypersensitivität (normale Reize werden schmerzhafter und intensiver wahrgenommen als von gesunden Personen). Weiterhin sind FODMAPs stark osmotisch aktiv. So zeigen MRI-Studien eindrucksvoll, wie bspw. Fruktose Wasser in den Dünndarm zieht und den Flüssigkeitsgehalt des Nahrungsbreis bzw. des Stuhls verändert, was sich in breiigem Stuhl bis hin zu Durchfällen äußern kann. Schließlich verändern einzelne FODMAPs, z.B. Fruktose und Sorbit, den gastrointestinalen Transit - die Transportgeschwindigkeit des Nahrungsbreis.
- Dysbiose, Darmbarriere und Lipopolysaccharide (Zhou et al.,2017). Eine FODMAP-reiche Ernährung bei bestehender Dysbiose oder mangelnder Verdauungsleistung (z.B. Enzymopathien, Transporterstörungen) kann zu einer verstärkten Dysbiose mit der Dominanz gram-negativer Bakterien führen. Letztere setzen nach ihrem natürlichen oder provozierten Verenden Endotoxine (Lipopolysaccharide - LPS) aus ihrer Membran frei, welche dann durch entzündliche Prozesse die für unsere Gesundheit so essentielle Darmbarriere schädigen (durchlässiger machen), zur Entstehung der viszeralen Hypersensitivität (Empfindsamkeit gegenüber geringen Reizen) beitragen und außerdem systemische Reaktionen des Immunsystems provozieren und dadurch nicht-gastrointestinale Symptome wie Gelenkbeschwerden auslösen.
- Verändertes Metabolom (McIntosh et al.,2017). Zahlreiche Studien weisen außerdem darauf hin, dass der FODMAP-Gehalt unserer Ernährung neben unserer Darmflora auch das damit verbundene Metabolom beeinflusst. So reduziert eine FODMAP-arme Diät den Mastzell-Mediator Histamin, einen bedeutsamen Marker der Immunaktivierung, um ein Vielfaches.
- Alle hier beschriebenen Effekte lassen sich durch eine FODMAP-reduzierte Kost rückgängig machen! (Gilt natürlich nur, wenn keine relevanten Drittvariablen involviert sind - bspw. eine NZGS, Mastzellhyperplasie usw.)
Wie du siehst, könnten wir die Wirkmechanismen in zwei Hauptgruppen unterteilen. Die kurzfristigen Auswirkungen auf die Gasproduktion, den Transit bzw. die Motilität und die osmotischen Effekte vermitteln die schnellen Effekte auf die Symptomreduktion. Entziehen wir den Darmbakterien das Futter, können sie keine Gase freisetzen und es kommt nicht zu unangenehmen Blähungen. Führen wir kein Sorbit zu, kann die Motilität nicht nachteilig beeinflusst werden und so fort. In Anlehnung an die Behandlung des Reizdarmsyndroms könnten wir hierbei also von einer symptomatischen Behandlung sprechen., da wir keine Ursache beheben, sondern uns auf die Linderung der Krankheitsprozesse konzentrieren.
Die langfristigen Auswirkungen der FODMAP-Reduktion gehen jedoch sehr wohl an die Wurzel des Übels, indem sie eine bestehende Dysbiose zugunsten gram-negativer, gasbildender und LPS-freisetzender Darmbakterien rückgängig machen kann, die Immunaktivierung lindert und das Metabolom reguliert. Du solltest der low-FODMAP-Diät also, wie allen anderen Interventionen übrigens auch, ruhig mehrere Monate einräumen, um ihre gesamte Effektivität zu entfalten!
Was kannst du von der low-FODMAP-Diät erwarten?
Die Anwendung der FODMAP-Reduktion führt bei einem Reizdarmsyndrom innerhalb weniger Tage oder Wochen zu einer signifikanten Verbesserung der globalen Symptome von bis zu 100 Punkten im Symptom Severity Score System (z.B. Böhn et al.,2016; McIntosh et al.,2016), was den Unterschied zwischen einem schweren und einem moderaten Reizdarm ausmachen kann. Die bedeutendsten Linderungen der Symptome finden wir hierbei für die Häufigkeit und Intensität von sowohl Bauchschmerzen als auch Blähungen, was nachvollziehbar ist, wenn wir die kurzfristigen Auswirkungen der Diät bedenken. Positive Effekte lassen sich allerdings auch, wenn auch in abgespeckter Form, für die Regulierung des Durchfalls verzeichnen, während die Verstopfungsgeplagten unter uns kaum zu profitieren scheinen.
Was man bei der Betrachtung solcher Scoredifferenzen solltest du allerdings nie vergessen, dass es sich lediglich um statistische Mittelwerte handelt. Wie du in der folgenden Grafik sehen kannst, entsteht eine mittlere Verbesserung von beispielsweise 100 Punkten zumeist dadurch, dass einige Probanden stark, andere kaum und wieder andere moderat profitieren. Und genau an diesem Punkt kommt wieder unser "magischer Goldener Kompass" ins Spiel, welcher uns nämlich schon heute Auskunft darüber geben kann, wer vermutlich stark von der low-FODMAP-Diät profitieren kann. Schon einmal ein kleiner Hinweis: Der Schlüssel zur Antwort liegt bereits in den obigen Pathomechanismen, über welche die Ernährungstherapie wirkt.
Ist die low-FODMAP-Diät gefährlich?
- Die FODMAP-Diät ist komplex und für viele Patienten nur schwer korrekt umsetzbar. Studien zeigen, dass nicht einmal die Hälfte der Anwender die Diät und ihre Phasen vorschriftsmäßig umsetzen (Nanayakkara et al.,2016). Selbst Allgemeinmediziner, die Hauptansprechpartner für Betroffene bezüglich der Diät, verfügen nicht über das relevante Wissen, um die Ernährungsstrategie erfolgreich und richtliniengetreu zu unterrichten (Trott et al.,2019).
- Die unkorrekte Ausführung kann zu Mikronährstoffmängeln führen oder diese verstärken. Einige wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass über 75% der Anwender trotz einer einführenden Anleitung durch einen geschulten Ernährungsberater nicht die empfohlenen Mengen für die Aufnahme essentieller Mikronährstoffe erreichten (Richards et al.,2018). Zu diesen gehören u.a. Kalzium, Eisen, Folsäure, Vitamin C und Vitamin D.
- Die langfristige Verminderung der Zufuhr präbiotischer Kohlenhydrate verändert langfristig das Mikrobiom und Metabolom. Das Umsetzen der low-FODMAP-Strategie geht mit teilweise starken Veränderungen des Mikrobioms und dessen Stoffwechselvorgängen einher (Staudacher et al.,2017; Cox et al.,2020). So vermindert die low-FODMAP-Diät die Konzentration verschiedener probiotischer (also für den Menschen gesundheitsfördernder) Bakterienstämme und -spezies wie Bifidobacterium und Faecalibacterium prausnitzii. Gerade ein Mangel dieser Spezies ist allerdings mit Erkrankungen wie dem Reizdarm, aber auch den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert. Weiterhin verändert sich durch die deutlich herabgesetzte Fermentationsrate (wir entziehen den kleinen Motoren ja den Treibstoff) die Produktion der für unsere Darmgesundheit (etwa die Integrität der Darmbarriere) notwendigen Fettsäuren (z.B. der Buttersäure). Eine low-FODMAP-Diät könnte also unter Umständen eine vorliegende Dysbiose noch verschlimmern und damit die Symptome sogar verstärken, vor allem wenn man zu lange in der reinen "Eliminationsphase" verharrt.
Wie viele Patienten mit einem Reizdarmsyndrom können von der Ernährungsumstellung nach dem FODMAP-Prinzip profitieren?
Die low-FODMAP-Intervention weist in klinischen Untersuchungen eine Responderrate von 50% bis maximal 86% auf (Hill et al.,2017). Diese Quote besagt erst einmal nur, dass fünf bis acht Patienten mit einem Reizdarmsyndrom von der Ernährungsumstellung profitieren könnten, erlaubt jedoch keine Aussage über die Effektstärke (wie stark verbessern sich Durchfall, Bauchschmerzen und Blähungen). Metaanalysen, welche nur die qualitativ hochwertigsten Studien einbeziehen, ermittelten eine eher moderate Odds-Ratio (Chancenverhältnis) von 0,44 zugunsten der FODMAP-Reduktion gegenüber anderen diätetischen Ansätzen (Gibson,2016). Schließlich lag die Number-needed-to-treat (NNT: Zahl der Behandlungen, welche gegenüber einer Kontrollintervention nötig ist, um einen Erfolg zu erzielen) bei 5 (Lacy,2018). Damit sprechen mehr Patienten auf die FODMAP-Reduktion an, als auf bspw. Rifaximin, Eluxadolin und Probiotika. Etwa genau so viele wie auf die Bauchhypnose. Aber auch etwas weniger als auf Pfefferminzölkapseln oder Kognitive Verhaltenspsychotherapie.
Warum benötigen wir den "magischen Goldenen Kompass", bevor wir uns der FODMAP-Herausforderung widmen?
Wann und wem hilft eine low-FODMAP-Diät beim Reizdarmsyndrom?
Der Goldene Kompass: Welche Variablen deines Mikrobioms und Metaboloms geben Aufschluss über deine individuelle Chance auf Besserung durch die low-FODMAP-Diät?
Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen haben sich dieser Frage nach der Mikrobiomausprägung und ihrer Prädiktorrolle für Symptomverbesserungen mittels FODMAP-Reduktion gewidmet.
Übersicht: Studien zu Mikrobiom-Variablen und FODMAP-Diät-Erfolg
Forscherteam | Mikrobiomanalyse |
Reizdarmpatienten erfolgreich mit low-FODMAP |
Reizdarmpatienten nicht erfolgreich mit low-FODMAP |
Chumpitazi et al. | 16s rRNA pyrosequenzing |
Sporobacter+ Alistipes+ Ruminococcus+ |
Bacteroides+ Bacteroidales+ |
Chumpitazi et al. | 16s rRNA pyrosequenzing |
Bacteroides+ Ruminococcus+ Faecalibacterium+ Dorea+ Clostridiales+
|
Turicibacter+ |
Bennet et al. |
DNA-Stuhlprobe bezüglich mehr als 300 Darmbakterien-Spezies |
- |
Bacteroides+ Parabacteroides+ Bacillus+ Pseudomonas+ Desulfitispora+ Streptococcus+
Hoher Dysbiose-Index
|
Valeur et al. |
DNA-Stuhltest bezüglich mehr als 300 Darmbakterien-Spezies |
Bacteroides+ Ruminiciclostridium+ Eubacterium+ |
Clostridia+ Negativicutes+ Bacilli+ Clostridiales+ Shigella+ Echerichia+ |
Falls du nach dem ersten Anschauen dieser Tabelle nun schaust, wie das buchstäbliche "Schwein ins Uhrwerk", dann ist das überhaupt nicht schlimm. Niemand erwartet von dir, schon jetzt ein Mikrobiomexperte zu sein. (Aber vielleicht in ein paar Jahren?) Ob du es nun glaubst oder nicht: In diesen Befunden lässt sich tatsächlich eine innere Systematik entdecken. Das Mikrobiom von Reizdarm-Patienten, welche sehr positiv auf eine low-FODMAP-Diät reagierten, war vor der Diät durch eine hohe Konzentration bzw. Dominanz so genannter saccharolytischer Darmbakterien gekennzeichnet. Diese Keime sind auf die Verstoffwechselung von Kohlenhydraten spezialisiert und neigen zur Produktion von Wasserstoff oder Methan (siehe Pathomechanismen). Beheben wir diese Dysbiose, indem wir den betreffenden Bakterien das "Futter" entziehen, durchbrechen wir den Symptomkreislauf. Besonders beachtenswert ist hierbei die Studie von Valeur und Kollegen, da in dieser höhere Kriterien für die Kategorisierung als Responder angelegt wurden (Valeur et al.,2018). Die Responder verbesserten den Symptom Severity Score um mindestens 50% und viele von ihnen wechselten nach der Diät-Intervention in die Kategorie "mildes Reizdarmsyndrom", obwohl vor der FODMAP-Reduktion ausnahmslos alle von ihnen als "schwere" oder "moderate" Fälle eingeschätzt worden waren!
Auf der anderen Seite scheinen Non-Responder, also Patienten mit einem Reizdarm, die nicht von einer low-FODMAP-Diät profitierten, einen höheren Dysbioseindex aufzuweisen, welcher nicht durch saccharolytische Keime dominiert wird. Je ausgeprägter also die Veränderungen der Darmflora, desto interessanter werden andere Interventionen wie etwa FMT oder SCD (siehe nächste Artikel).
Bei aller Euphorie über diese inzwischen etablierten Erkenntnisse muss darauf hingewiesen werden, dass es sich um wenige Studien mit teilweise heterogenen Erhebungsmethoden handelt. Sie sollten also durch weitere bekannte Prädiktoren abgesichert werden.
Metabolom-Veränderungen und Low-FODMAP-Diät
Zu diesen erweiterten Prädiktoren zählen metabolische Endprodukte des Mikrobioms. So fanden verschiedene Forscherteams vermehrte metabolische Pfade, welche mit der Kohlenhydratverwertung in enger Verbindung stehen, innerhalb jener Gruppe von Reizdarmpatienten, welche mit der Ernährung die größten Erfolge hatte. Dazu zählten:
- Alpha-N-Arabinofuranosidase im Urin
- Gamma-Tocopherol
- Histamin im Stuhl
Vor allem eine erhöhte Konzentration von Histamin, einem Mediator der Mastzellen, der mit einer Aktivierung des Immunsystems assoziiert ist, kann zusätzlich hinweisgebend für eine angezeigte FODMAP-Reduktion interpretiert werden. In einer Studie reagierten besonders Patienten mit einem erhöhten fäkalen Histaminspiegel positiv auf die Ernährungsumstellung. Der Abbau des Mediatorspiegels durch die Diät korrelierte dabei mit verminderten Reizdarmbeschwerden.
Wie setzen wir den "Goldenen Kompass" in der Praxis ein? Wie findest du heraus, ob deine FODMAP-Diät von Erfolg gekrönt sein wird?
Obenstehend stellvertretend einige Ausschnitte aus einem exemplarischen Befund der DNA-Stuhldiagnostik "Mikrobiom Plus" des Labors medivere:diagnostics inklusive errechnetem FODMAP-Index, Biodiversität, Enterotyp etc.
Du kannst also inzwischen unproblematisch (du benötigst nur einige Klicks und eine Stuhlprobe) und kostengünstig (der komplette DNA-Test mit vielen weiteren Parametern kostet um aktuell 252,11€) deinen individuellen Mikrobiom-"Fingerabdruck" bestimmen lassen, welcher dir dann Rückschlüsse für die für dich passende Therapie erlaubt. Nutzt du das exemplarische Angebot von Medivere, ist der erste "Goldene Kompass" zur Einschätzung einer möglichen NZGS bereits enthalten. Neben Medivere bieten aber auch beispielsweise Enterosan und weitere vergleichbare Analysen an. Wenn auch meines Wissens nach nicht so umfangreich bzw. zu einem solchen Preis.
Wie immer gilt: Grundsätzlich kann euer Gastroenterologe fast alles untersuchen, was wir hier besprechen und ihr solltet ihn und auch eure Krankenkasse unbedingt ins Boot holen. Da ich aber aus ungezählten Zuschriften weiß, dass manche eurer betreuenden Ärzte jedem Abweichen von ihrer Routine versperren (auch wenn man noch so mit ausgedruckten Studien wedelt), können die Optionen privater Diagnostik tatsächlich Gold wert sein!
Wo bekomme ich also meinen Goldenen Kompass?
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Bezüglich der metabolischen Marker ist die Bestimmung des fäkalen Histamins zusätzlich möglich. Kann eine erhöhte Konzentration nicht durch eine verminderte Enzymaktivität im Rahmen einer Histaminintoleranz erklärt werden, empfiehlt sich ein dauerhafter Versuch mit der FODMAP-Reduktion (siehe oben).
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