Mastzellen und Psyche: Wie die Immunzellen dir und deinem Arzt psychische Erkrankungen vorgaukeln

Bereits seit Beginn meiner therapeutischen Tätigkeit war mir klar, dass biologische bzw. medizinische Veränderungen die psychische Gesundheit beeinflussen und psychiatrische Erkrankungen verstärken oder gar erzeugen können. So manches Mal schauten mich meine Klienten verwundert an, wenn ich meine Anamnese-Liste akribisch abarbeitete und fehlende Blutzucker-, Schilddrüsen- oder Entzündungswerte einforderte. 

 

Diese Sensibilität gegenüber den körperlichen Faktoren, die sich auf die mentale Ebene auswirken, lag nicht etwa darin begründet, dass ich ein besonders guter Therapeut wäre. Es lag auch nicht an einem hochwertigen Psychologie-Studium, dass mich auf diese wichtigen Zusammenhänge vorbereitet hätte. Nein. Der einzige Grund dafür war, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahren selbst unter einem schweren Reizdarm vom Durchfalltyp gelitten (der sich später als MCAS und zugehörige Colitis entpuppen sollte), mich mit unzähligen Betroffenen ausgetauscht und natürlich auch schon unheimlich viel recherchiert hatte (damals noch in erster Linie, um mir selbst zu helfen).

Und so wusste ich damals bspw. schon, dass eine vorliegende Depression oder Angststörung verschwinden konnte, wenn es den Forschern gelang, eine bestehende Dünndarmfehlbesiedlung zu kurieren oder eine Dysbiose des Darms via Stuhltransplantation rückgängig zu machen (siehe etwa Collyer et al.,2020).

 

Bei mir als Psychologie-Studenten in den ersten Semestern blieb hängen: Es scheint also einige Betroffene zu geben, bei denen die psychischen Beschwerden eher körperlicher bzw. immunologischer Genese waren. Für sie waren die unzähligen Sitzungen mit Gesprächen über soziale Ressourcen, Copingstrategien und kognitive Umstrukturierung einmal böse formuliert bloße Zeitverschwendung. Diese Patienten gehörten nicht auf eine Couch, sondern in eine gastroenterologische Klinik

 

Natürlich möchte ich hier nicht den Wert einer Psychotherapie bei RDS, CFS/ME, Fibromyalgie und eben auch MCAS negieren. Gerade die Kognitive Verhaltenstherapie kann diesen Patienten dabei helfen, besser mit ihren Beschwerden und individuellen Einschränkungen zu leben. Doch meiner Einschätzung nach gibt es für viele dieser Betroffenen einen besseren Weg. Immer mehr Studien zeigen nämlich, dass die ursächliche Behandlung des körperlichen Primärproblems sowohl die entsprechenden Funktionsstörungen (z.B. eben Durchfälle, Blähungen und Bauchschmerzen) als auch die psychiatrischen Komorbiditäten (wie depressive Verstimmungen, soziale oder generalisierte Angststörungen und Panikstörungen) verschwinden lassen kann. 

 

Dass dies auch oder vielleicht sogar ganz besonders für das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) zutreffend ist, möchte ich dir im Laufe des heutigen Artikels belegen. Legen wir also los!

 


Inhalt: Das wirst du in diesem Artikel lernen ...

MCAS: 75% der Patienten erfüllen die Kriterien für eine klinisch bedeutsame Depression!

Die Psychologisierung von den Ärzten unvertrauten Erkrankungen ist natürlich keineswegs ein neues Phänomen. Patienten mit CFS/ME oder Fibromyalgie können davon schon länger ein Liedchen singen (welches wohl zumeist in Moll-Tönen gehalten sein dürfte). Selbst Betroffene der inzwischen gut erforschten Autoimmunerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wurden anfangs gern "in die Psychoecke geschoben" (vgl. Sheffield & Carney,1976; Gerbert,1980 usw.)

 

Neben der relativen Unbekanntheit der Erkrankungen spielt dabei in erster Linie ein bedeutsamer Faktor die entscheidende Rolle: Das signifikant häufigere Auftreten von Psychopathologien in diesen Patientengruppen, über welches Wissenschaftler und Ärzte immer wieder stolpern.

Spezifisch für das Mastzellaktivierungssyndrom sieht es grob zusammengefasst so aus:

 

  • Zirka 75% der MCAS-Betroffenen erfüllen die Kriterien für eine klinisch bedeutsame Depression (Nicoloro Santa-Barbara & Lobel,2022). Selbst nach der Anwendung besonders strenger Kriterien, welche insbesondere eine schwerwiegende chronische Erkrankung berücksichtigen sollen, liegt die Depressions-Rate unter den MCAS-Patienten deutlich über 50%.
  • Auch Patienten mit einer Indolenten Systemischen Mastozytose sind mit 64% deutlich häufiger von einer Depression betroffen (Moura et al.,2011). Für diese Population ist außerdem bekannt, dass die Behandlung mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor diese psychiatrischen Störungen in sage und schreibe 75% der Fälle auflösen kann (ein kleiner Hint auf den nächsten Abschnitt).
  • Etwa ein Drittel der Patienten mit Mastzellaktivierungssyndrom berichtet über verstärktes Angsterleben und mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, sich durch die Belastungen der Erkrankung erheblich gestresst zu fühlen (Nicoloro Santa-Barbara et al.,2021). 
  • Depressionen, Angststörungen und somatoforme Störungen gehören zu den etablierten Komorbiditäten des Mastzellaktivierungssyndroms (z.B. Hamilton,2023). 

Mastzellen und Psyche: Wie kommt es zu Depressionen, Ängsten und anderen psychiatrischen Störungen?

Soweit sind die bislang vorliegenden Daten recht eindeutig: Patienten mit MCAS sind deutlich häufiger von psychiatrischen Erkrankungen betroffen als gesunde Vergleichspersonen. 

 

Nun gilt es allerdings die Frage zu beantworten: Wie kommt es zu diesen erhöhten Raten an Depressionen, Angsterkrankungen, Zwangsstörungen und anderen psychiatrischen Auffälligkeiten? Prinzipiell stehen uns drei Möglichkeiten zur Verfügung, welche recht unterschiedliche Konsequenzen für die Therapie haben:

  1. Psychiatrische Störungen begünstigen die Entwicklung eines Mastzellaktivierungssyndroms (Psychoneuroimmunologisches Modell).
  2. Das Leben mit einer schweren chronischen Erkrankung, die wahrgenommene mangelnde Hilfe seitens der Ärzte und die Komplexität der Trigger und Therapie begünstigen die Entstehung oder Verstärkung solcher Störungen (Coping-Modell) 
  3. Durch die überaktiven Mastzellen erzeugte biologische Veränderungen führen zu psychiatrischen Symptomen (Neuropsychiatrisches Modell).

Mit Sicherheit hast du nach dem ersten Überfliegen bereits deinen Favoriten entdeckt? Aber was würdest du sagen, wenn ich dir nun gleich zeigen werde, dass praktisch für jedes dieser Modelle gute Belege existieren?

 

Stress und Mastzellen

Abb1: Schematische Darstellung der Erzeugung und Verstärkung von Neuroinflammation und Neurodegeneration durch chronischen psychischen Stress via Mastzellmediatoren. Quelle: Kempuraj et al.,2019).
Abb1: Schematische Darstellung der Erzeugung und Verstärkung von Neuroinflammation und Neurodegeneration durch chronischen psychischen Stress via Mastzellmediatoren. Quelle: Kempuraj et al.,2019).
Gehen wir vielleicht beispielhaft kurz etwas genauer auf den erstgenannten Punkt ein, da er am häufigsten missverstanden wird. Seit der Etablierung der Psychoneuroimmunologie als anerkanntes Forschungsfeld wissen wir, dass Stress und andere psychische Prozesse die Gesundheit des Menschen beeinflussen und die Entstehung von Krankheiten verhindern oder begünstigen können.

 

Im Rahmen der Mastzellerkrankungen ist bspw. gut bekannt, dass psychologischer Stress die Mastzellen via Neuropeptide (insbesondere CRH) zur Degranulation veranlasst. Über diesen Mechanismus wird Stresserleben zu einem der bedeutendsten Trigger bei zahlreichen mastzell-assoziierten Erkrankungen vom Reizdarmsyndrom, über Asthma bis hin zu MCAS (bspw. Theoharides,2020). 

Chronischer Stress hingegen führt zur Überaktivierung und Hyperplasie der Mastzellen und in letzter Instanz zu Entzündungsprozessen und Gewebeschäden (Söderholm et al.,2002). 

 

Ganz ähnlich wie beim Reizdarmsyndrom (welches ja ohnehin viele Schnittmengen mit MCAS hat) sind die psychischen Belastungen und Affekte nicht die eigentliche Ursache der Erkrankung. Sie spielen praktisch über Bande, indem sie wichtige Immunfunktionen modulieren oder komprimieren. Beim Reizdarm kann man das sehr eindrücklich daran ablesen, wie Ängste, Depressionen oder Stress während einer Gastroenteritis-Erkrankung die Wahrscheinlichkeit einer späteren postinfektiösen Reizdarm-Diagnose erhöhen (Ghoshal,2022). 

 

Ich möchte diesen Teil der Diskussion nicht zu sehr ausdehnen, oder gar in eine Referenzen-Schlacht ausufern lassen. Mir ist aber wichtig, dass du verstehst, dass das im Folgenden detailliert beschriebene Neuropsychiatrische Modell nicht bei jedem Betroffenen isoliert vorliegen muss. Die anderen Krankheitspfade dann bei der Therapie zu vernachlässigen wäre einfach töricht! 

 

Deine Mastzellen verändern deine Psyche: Das Neuropsychiatrische Modell

Schon relativ früh wurde im wissenschaftlichen Betrieb darauf hingewiesen, dass die bis dahin bekannten Mastzellerkrankungen die Stresswahrnehmung verändern und kognitive sowie neuropsychiatrische Symptome hervorrufen können (z.B. Lavialle et al.,2016). Diese Erkenntnisse führten dann auch zur isolierten Betrachtung der Mastzellen im Rahmen von Depressionen, Angsterkrankungen, Autismus und auch neurodegenerativen Erkrankungen (s.bspw. Conti et al.,2018; Nautiyal et al.,2018).

 

Obwohl sich der absolute Großteil dieser Forschungen auf die Rolle der Mastzellen und ihrer Mediatoren im Gehirn und v.a. in den Mikrogliazellen fokussiert, gibt es auch einige durchaus überraschende Nebenbefunde, die besonders auch für Patienten mit Reizdarmsyndrom und anderen funktionellen Syndromen von Interesse sein könnten: So korrelierten beim Reizmagen die Anzahl der Mastzellen im Zwölffingerdarm und der Grad der Degranulation mit der Intensität von Ängsten und Depressionen (Yuan et al.,2015). 

 

Auch spezifisch für das MCAS mahnten führende Experten wie Dr. Lawrence Afrin bald an, dass die bisherige Verengung der Diskussion auf die beiden Mastzellmediatoren Histamin und Tryptase und die durch diese provozierten typischen Beschwerden wie Flush und Anaphylaxie ein grober Fehler war. Nicht zuletzt gibt er zu bedenken, dass die unzähligen Mastzellmediatoren an verschiedenen Stellen des Zentralen und Peripheren Nervensystems wichtige Weichen stellen und dass Psychiater und Neurologen auf diese Möglichkeit vorbereitet sein sollten (Afrin et al.,2015). Dies gelte natürlich umso mehr, als durch die Neuaufnahme des Mastzellaktivierungssyndroms in den Kreis der bekannten Mastzellerkrankungen klar wurde, dass der Betroffenenkreis erheblich größer war, als bisher von den Forschern angenommen. 

 

Anatomische und biologische Grundlagen

Da viele meiner Leser die Mastzellen bisher nur mit lokalen Strukturen wie dem Magen oder Darm in Verbindung bringen, möchte ich wenigstens ganz knapp auf die anatomischen Besonderheiten des Nervensystems zu sprechen kommen. 

 

Mastzellen können im Gehirn selbst sowie auf der Hirnseite der Blut-Hirn-Schranke gefunden werden (Dong et al.,2014). So können sie unproblematisch mit Neuronen, Mikrogliazellen, Astrozyten und Blutgefäßen via frisch synthetisierter oder gespeicherter Mediatoren kommunizieren (Shelestak et al.,2020). Letztere senden proentzündliche Signale, auf welche die Zellen des Nervensystems mit der Produktion und Freisetzung von Zytokinen, Chemokinen und Freien Radikalen antworten. 

Im Normalfall (Abwesenheit von Stress, Krankheit etc.) ist die Anzahl der Mastzellen im Zentralen Nervensystem sehr überschaubar. Doch dies kann sich rasant ändern ... 

Abb2: Darstellung der räumlichen Nähe von Mastzellen zu Strukturen des Nervensystems. Mastzellen kommunizieren mit Neuronen, Glia, Mikroglia usw. Quelle: Dong et al.,2014.
Abb2: Darstellung der räumlichen Nähe von Mastzellen zu Strukturen des Nervensystems. Mastzellen kommunizieren mit Neuronen, Glia, Mikroglia usw. Quelle: Dong et al.,2014.

So wissen wir bspw. schon seit Längerem, dass Mastzellen aus dem Blut die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, um es sich im ZNS gemütlich zu machen (z.B. Silverman et al.,2000). Das größte Problem dabei ist, dass die ungebetenen Gäste selbst einen Schlüssel zu deiner Haustür haben, denn die Immunzellen selbst können die Integrität der Blut-Hirn-Schranke herabsetzen (s. Shelestak et al.,2020). 

 

Eine Veränderung der Mastzelldichte und -aktivität verändert allerdings nachhaltig die Funktionsweise der Mikrogliazellen. Letztere gehören zu den Gewebsmakrophagen und bilden eine Art Schaltstelle zwischen Nerven- und Immunsystem. Während sie bei kurzfristigen Bedrohungen wie Verletzungen entzündungshemmend wirken, kann ihre langfristige Aktivierung, bspw. durch eine Infektion (oder Mastzellüberaktivierung) Entzündungen induzieren oder verstärken

Der prominente Mastzellmediator Histamin kann die Mikrogliazellen dazu zwingen, alle vier Histamin-Rezeptoren zu vermehren - und zwar abhängig von seiner Dosis. Histamin aktiviert auch die Mikrogliazellen und veranlasst sie zur Produktion proentzündlicher Zytokine wie TNF-alpha und Interleukin 6.

Auf diesem Wege modulieren unsere Mastzellen langfristig die Reaktion von Immun- und auch Nervensystem auf Infektionen, Verletzungen, aber eben auch Traumata und Stresserleben (Dong et al.,2014). Kommt es zu Entzündungen im Nervensystem können daraus gedämpfte bzw. abweichende Reaktionsmuster resultieren. 

 

Frühe Evidenz: Mastzellen und neurologische Erkrankungen

Dass es sich bei den geschilderten Zusammenhängen nicht lediglich um graue Theorie aus dem Labor handelt, demonstrierten als erstes Erkenntnisse, welche die Rolle der Mastzellen bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen heraushoben. Hierzu gehören v.a. (nach u.a. Walker et al.,2012): 

  • Morbus Alzheimer
  • Multiple Sklerose
  • Morbus Parkinson

Um den Inhalt dieses Artikels nicht weiter zu verkomplizieren, werden wir uns eine Diskussion des Forschungsstandes an dieser Stelle sparen. Uns sollen heute ja ohnehin besonders die psychischen Auswirkungen der Mastzellen interessieren. 

 

Mastzellen können psychiatrische Erkrankungen vortäuschen!

Ich hatte bereits angemerkt, dass die Bedeutung der Mastzellen inzwischen auch bei vielen psychiatrischen Erkrankungen, etwa der Depression belegt ist (Conti et al.,2018). Doch wie sieht es eigentlich auf der anderen Seite der Medaille aus? Gibt es Belege dafür, dass eine Vermehrung oder Überaktivität der Mastzellen psychische Störungen erzeugen kann? 

 

Wäre dies der Fall, müsste eine auf die Mastzellen ausgerichtete Therapie die psychiatrischen Beschwerden deutlich effizienter lindern als eine Behandlung mit Psychopharmaka. Die Bedeutung eines solchen Befundes für die psychiatrische Praxis könnte gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. 

 

Schauen wir uns deshalb eine recht aktuelle Fallsammlung aus den USA an (Weinstock et al.,2023). Diese berichtet eindrucksvoll von acht Patienten, die sich über Jahre bis Jahrzehnte in psychiatrischer Behandlung befanden. Bis ihnen folgendes passierte ... 

 

Zurück in Büro und Hörsaal nach Jahren mit schweren Ängsten, Depressionen und Panikstörungen?

Zuerst einmal möchte ich dir unser Patientenkollektiv vorstellen. Es handelt sich um sieben Frauen und einen Mann, die von den folgenden psychischen Beschwerden geplagt wurden (alle durch Fachärzte diagnostiziert):

Patient 1 Patient 2 Patient 3 Patient 4
47 Jahre 50 Jahre 37 Jahre 71 Jahre
  1. Generalisierte Angststörung
  2. Zwangsstörung
  3. Phobien
  1. Generalisierte Angststörung
  2. Panikstörung
  1. Bipolare Störung
  2. Generalisierte Angststörung
  3. ADHS u.a.
  1. Depression
  2. Suizidalität
Patient 5 Patient 6 Patient 7 Patient 8
18 Jahre 18 Jahre 19 Jahre 33 Jahre
  1. Panikstörung
  2. Generalisierte Angststörung
  3. Depression
  1. Panikstörung
  2. Generalisierte Angststörung
  3. Depression
  1. Panikstörung
  2. Depression
  1. Panikstörung
  2. Generalisierte Angstörung
  3. Depression

Mit Ausnahme einer Patientin (Patient 8) verfügten alle Betroffenen über umfangreiche Erfahrungen mit verschiedensten Psychopharmaka. Fast alle Patienten hatten mindestens einen Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) verschrieben bekommen. Hinzu kommen Benzodiazepine, Lithium und viele mehr. In den meisten Fällen waren die Wirkungen dieser Psychopharmaka eingeschränkt. So berichtet Patient 1 über die Einnahme gleich drei verschiedener SSRI, die jedoch ohne jegliche Wirkung blieben

 

Im Laufe der Zeit erhielten diese Patienten, die auch viele (unspezifische) körperliche Symptome zeigten, eine oder mehrere neue Diagnose(n). Das Mastzellaktivierungssyndrom MCAS wurde bei allen acht Patienten festgestellt. Weitere häufige Diagnosen waren das Posturale Tachykardiesyndrom (POTS) und auch das Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS). 

Die Betroffenen wurden daraufhin mit Mastzellstabilisatoren, Histamin-Blockern etc. behandelt. Kannst du dir vorstellen, was mit ihren psychischen Beschwerden geschah? 

 

Unsere nächste Tabelle zeigt dir die neuen Diagnosen und das Ergebnis der Therapie.

Patient 1 Patient 2 Patient 3 Patient 4
  1. MCAS
  2. Ehlers-Danlos
  3. Neurokardiogene Synkope 
  1. MCAS
  2. Neurokardiogene Synkope
  3. Labiler Bluthochdruck 
  1. MCAS
  2. Posturales Tachykardiesyndrom
  3. Restless Legs
  1. MCAS
  2. Posturales Tachykardiesyndrom
Vollständiges Ansprechen auf die mastzell-zentrierte Therapie - arbeitet Vollzeit.

Vollständiges Ansprechen auf die mastzell-zentrierte Therapie - arbeitet Vollzeit.

Keine Ängste mehr. 

Teilweises Ansprechen auf die mastzell-zentrierte Therapie - arbeitet Teilzeit.

Vollständiges Ansprechen auf die mastzell-zentrierte Therapie. 

Keine Depression mehr. 

Patient 5 Patient 6 Patient 7 Patient 8
  1. MCAS
  1. MCAS
  2. Restless Legs
  3. Ehlers-Danlos
  1. MCAS
  2. Posturales Tachykardiesyndrom
  3. Ehlers-Danlos
  1. MCAS
  2. Posturales Tachykardiesyndrom
  3. Ehlers-Danlos
Vollständiges Ansprechen auf mastzell-zentrierte Therapie - Rückkehr an Universität. Vollständiges Ansprechen auf mastzell-zentrierte Therapie - Besuch der Universität nach Homeschooling. Starke Verbesserung der Beschwerden durch die mastzell-zentrierte Therapie - Rückkehr an Universität. Vollständiges Ansprechen auf mastzell-zentrierte Therapie - arbeitet in Vollzeit.

Beeindruckend, nicht wahr? Ein neuer Arzt, eine neue Diagnose und schon stand das ganze Leben Kopf! Die Betroffenen gingen wieder zur Arbeit, besuchten die Universität oder genossen ihren wohlverdienten Ruhestand. Gerade die jungen Patienten hatten endlich wieder eine Perspektive für ihr Leben gefunden. 

 

Doch so sehr ich mich für diese acht MCAS-Betroffenen freue, so traurig stimmt mich diese Fallsammlung auch. Denn als selbst von einem Mastzellaktivierungssyndrom Geplagter und Psychologe weiß ich, dass in den Wartezimmern von Psychotherapeuten und Psychiatern unzählige von uns sitzen, die dort nicht wirklich hingehören. 

Ich spreche von Menschen in Erwerbsunfähigkeit, von Menschen mit schweren Depressionen und Suizidgedanken. Und ich spreche von Menschen, deren unspezifische körperliche Beschwerden psychischen Erkrankungen zugeschrieben werden, die eine Folge und keinesfalls die Ursache sind. 

 

Wie vielen Patienten könnte dieses Leid wohl erspart werden? Sind die Abschätzungen einer MCAS-Prävalenz von etwa 17% der Gesamtbevölkerung durch Professor Molderings und Kollegen auch nur annähernd zutreffend (Molderings et al.,2013), kannst du dir selbst ausrechnen, was das für Neurologen und Psychiater bedeuten könnte. 

Doch seien wir ehrlich: Unsere Erkrankung spielt in der Ausbildung von angehenden Medizinern keine Rolle (Molderings et al.,2007) und wird dementsprechend in der Differentialdiagnostik nicht oder kaum berücksichtigt (Afrin et al.,2016). Und frag doch einmal einen MCAS-Patienten, was sein Hausarzt über seine Diagnose denkt. Viele Mediziner glauben immer noch, bei dieser Diagnose handele es sich um "Hokuspokus". 

 

Was du jetzt tun solltest ...

Ich sehe deshalb eigentlich nur einen Weg und der heißt Eigeninitiative und Aufklärung.

 

Solltest du unter psychischen Beschwerden und gleichzeitig unspezifischen körperlichen Symptomen oder einer mastzell-assoziierten Erkrankung leiden (CFS/ME, Fibromyalgie, Reizdarm, Reizmagen etc.), dann lass dich auf das Vorliegen eines Mastzellaktivierungssyndroms testen!

 

Dafür kannst du nach einem gut informierten Immunologen suchen. Als Minimaldiagnostik würde ich dir ansonsten das Mastzell-Panel von IMD ans Herz legen. Sprich einfach deinen Hausarzt darauf an, ob er dir eine Blutprobe entnehmen kann. Zeigen sich Hinweise auf ein MCAS, dann solltest du eine Basistherapie beginnen und schauen, ob deine körperlichen und psychischen Beschwerden auf diesen Behandlungsversuch ansprechen. Leidest du unter einer schweren psychiatrischen Störung, sollte dieser Versuch unbedingt in Abstimmung mit deinem Psychiater oder Neurologen erfolgen. Beachte unbedingt den sicheren Umgang mit evtl. eingesetzten Psychopharmaka! 

 

Und natürlich ist es von enormer Bedeutung, dass wir die Öffentlichkeit und vielleicht ebenfalls von MCAS betroffene Menschen über die Erkrankung und auch die Überschneidungen mit neuropsychiatrischen Erkrankungen informieren. Nur wenn Ärzte und potenziell Betroffene von den oben beschriebenen Zusammenhängen erfahren, können Menschenleben verbessert oder sogar gerettet werden! 

 

Ich wünsche dir von ganzem Herzen alles Liebe und Gute

dein Thomas

 

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Abbildungsverzeichnis

Abb1

Kempuraj D, Mentor S, Thangavel R, Ahmed ME, Selvakumar GP, Raikwar SP, Dubova I, Zaheer S, Iyer SS, Zaheer A. Mast Cells in Stress, Pain, Blood-Brain Barrier, Neuroinflammation and Alzheimer's Disease. Front Cell Neurosci. 2019 Feb 19;13:54. doi: 10.3389/fncel.2019.00054. PMID: 30837843; PMCID: PMC6389675.

 

Abb2

Dong H, Zhang X, Qian Y. Mast cells and neuroinflammation. Med Sci Monit Basic Res. 2014 Dec 21;20:200-6. doi: 10.12659/MSMBR.893093. PMID: 25529562; PMCID: PMC4282993.

 

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