Die drei effektivsten Schritte für eine den Reizdarm befriedende Ernährung (Spoiler: GI-endokrine Zellen)

Die Ernährung beim Reizdarmsyndrom ist einer der wichtigsten Faktoren zur Vermeidung oder Provokation von Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Doch wie sollte die "perfekte" Basiskost beim Reizdarm aussehen? Bild: adel/pixelio.de
Die Ernährung beim Reizdarmsyndrom ist einer der wichtigsten Faktoren zur Vermeidung oder Provokation von Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Doch wie sollte die "perfekte" Basiskost beim Reizdarm aussehen? Bild: adel/pixelio.de

Geht es Ihnen vielleicht ähnlich wie vielen meiner Klienten? Diese kommen oft zum Erstgespräch und sind tatsächlich umfassend informiert. Mastzellen, FODMAPs, Störungen bei der Gallensäureregulation, Probiotika und die Auswirkungen dysfunktionaler Gedankenmuster auf körperliche Beschwerden - zu all diesen und vielen weiteren für das Reizdarmsyndrom relevanten Themen haben meine Klienten wertvolles und richtiges beizusteuern. Manchmal denke ich still und heimlich:

 

Wie soll ich ihr oder ihm denn eigentlich noch helfen? Eigentlich besitzt er das ganze Handwerkszeug, um eine effektive Therapie zu beginnen.

 

Doch nach unzähligen solcher Begegnungen glaube ich zu verstehen, was die Menschen davon abhält, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Die vielen Informationen waren schlicht und ergreifend zu viel. Zahlreiche, teilweise konträre Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung, unterschiedliche Empfehlungen von Betroffenen und sehr sehr viel Marketing trüben den Blick auf das Wesentliche.

Nehmen wir allein den Ernährungsbereich als gutes Beispiel. Es gibt zahlreiche Diäten, welche für sich beanspruchen, die Beschwerden des Reizdarmsyndroms zu lindern. Dazu gehören die low-FODMAP-Diät, die glutenfreie Kost, die Spezielle Kohlenhydratdiät (SCD), die aus der SCD entstandene GAPS-Diät (Gut-and-Psychology-Syndrome), die Fast-Tract-Diät zur Beeinflussug der Dünndarmfehlbesiedlung usw. Zumindest für die ersten beiden Kostformen liegen eindeutige Forschungsergebnisse beim RDS vor, für die SCD bei Morbus Crohn und Kolitis ulcerosa. Aber damit nicht genug! Zahlreiche populäre Diäten, welche sich aktuell immer weiter in der Gesellschaft verbreiten, nehmen für sich in Anspruch auch die Leiden des RDS zu beheben. So finden wir Vertreter der veganen (Roh)Kost gleich neben den butterliebenden Vermarktern einer ketogenen Ernährung. Und wie war das eigentlich mit diesen Ballaststoffen? Sind diese gut oder schlecht beim RDS? Einige Ärzte schwören ja darauf, während Studien etwas ganz anderes zeigen. Resistente Stärke, Nachtschattengewäche, unlösliche Ballaststoffe, Galaktooligosaccharide, Histamin, Salicylate. Sie merken schon, wir beide könnten einfach ewig zusammen so weiter machen.

Aber das klärt unser Dilemma und das meiner Klienten nicht auf, sondern verschlimmert es nur. Der Informations(über)fluss lähmt letztendlich die Handlungsperspektive. Frei nach dem Motto: "Wenn ich nichts mache, mache ich wenigstens auch nichts verkehrt". Doch damit ist natürlich niemandem geholfen.

 

Ich möchte nämlich, dass Sie da draußen vor dem Bildschirm, ja genau Sie, endlich wieder Ihr Leben genießen können! Unsere Welt hat so viel Schönheit, Spannung und Liebe zu bieten, warum sollten Sie einsam und frustriert auf der Toilette hpcken oder sich vor Shmerzen mit einer Wärmflasche auf dem Sofa krümmen?

 

Um endlich etwas Ordnung in die vielen Informationen im Ernährungstherapiedschungel beim Reizdarmsyndrom zu bringen, möchte ich Ihnen deshalb heute die drei essentiellen Schritte bei der Ernährungsumstellung vorstellen. Egal ob Keto, SCD, Paleo oder vegan - wenn Sie diese Schritte konsequent umsetzen, werden Sie Erfolg haben. Eine wissenschaftliche Begründung werde ich für die rationalen Typen unter Ihnen natürlich auch wieder mitliefern. Meine Ausführungen folgen dabei den Professoren Mazzawi und El-Sahy aus Norwegen, welche ihre Erkenntnisse im Fachjournal für Molekularmedizin vorstellten.

 

Doch genug der langen Vorrede. Packen Sie es an und starten Sie mit mir in ein neues, schmerzärmeres und schöneres Leben!

 


Warum diese drei Tipps funktionieren: Über die endokrinen Zellen unseres Gastrointestinaltraktes

Die Wissenschaft fügt immer mehr Teile des Rätselpuzzles Reizdarmsyndrom zusammen. Endokrine Zellen im Darm sind verantwortlich für Hypersensitivität und Motilitätsstörungen. Bild: Michael Bührke/pixelio.de
Die Wissenschaft fügt immer mehr Teile des Rätselpuzzles Reizdarmsyndrom zusammen. Endokrine Zellen im Darm sind verantwortlich für Hypersensitivität und Motilitätsstörungen. Bild: Michael Bührke/pixelio.de

Unser gesamtes Darmsystem ist von endokrinen Zellen durchzogen. Endokrine Drüsen geben ihre Stoffe im Unterschied zu exokrinen Drüsen direkt ins Blut ab. Zu ihnen gehören etwa die Schilddrüse oder auch die Hirnanhangdrüse. Endokrine Zellen machen ca. 1% der gesamten Epithelzellen des Gastrointestinaltraktes aus und sind somit das größte endokrine Organ.

Inzwischen sind fünfzehn endokrine Zelltypen des Magen-Darm-Traktes bekannt, welche verschiedene, teilweise sehr potente Hormone freisetzen. Zu diesen gehören unter anderem Serotonin (Motilität, Flüssigkeit im Stuhl), Gastrin (Magensäureproduktion und Histaminfreisetzung), Ghrelin (Motilität und Appetit) und Somatostatin (intestinale Kontraktionen). Schauen wir uns die einzelnen Auswirkungen der jeweiligen Hormone genauer an, können wir feststellen, dass jedes für sich isoliert in der Lage wäre, die Beschwerden eines Reizdarmsyndroms auszulösen oder zumindest zu verstärken.

 

Seit einigen Jahren ist den Forschern bekannt, dass Patienten mit einem Reizdarmsyndrom tatsächlich erhebliche Veränderungen in der Dichte und Anzahl eben jener gastrointestinalen endokrinen Zellen zeigen und dadurch auch die entsprechenden Hormonkonzentrationen stark verändert sind. Besonders starke Evidenz liegt dabei für das Serotonin vor. Zuerst konnte man mit den Ergebnissen nicht wirklich etwas anfangen, denn die Probanden mit RDS zeigten in Untersuchungen im direkten Vergleich mit gesunden Menschen sowohl niedrigere als auch deutlich erhöhte Serotoninspiegel im Darm. Doch heute kennen wir des Rätsels Lösung: Eine gastrointestinale Infektion (z.B. die klassische Magen-Darm-Grippe) ist einer der größten Risikofaktoren für das "Heranwachsen" eines Reizdarmsyndroms. Im Rahmen der Infektion kommt es zu erheblichen Entzündungsprozessen, welche auch niederschwellig chronifizieren können. Es kommt hierbei zur Zerstörung endokriner Zellen, welche folglich weniger Hormone produzieren können. Langfristig aber steuert der Körper gegen und es kommt zu einer Zellproliferation - der Bildung zahlreicher neuer endokriner Zellen, teilweise weit über das vorherige Ausmaß hinaus. Der Serotoninspiegel steigt deutlich an.

Doch die Erkenntnisse der Wissenschaft sind damit noch lange nicht ausgeschöpft, denn diesen Veränderungen im endokrinen System des Magendarmtraktes, welches im Übrigen in nicht geringem Maße mit dem peripheren Nervensystem interagiert, können spezifischen Pathomechanismen des Reizdarms zugeordnet werden. So wirkt sich die Veränderung des gastrointestinalen Serotoninspiegels direkt auf die Hypersensitivität, die Motilität und die Sekretion im Darm aus - es entstehen Durchfälle, Bauchschmerzen, Verstopfung und Stuhldrang.

Medikamente der neuesten Generation haben deshalb den peripheren Serotoninstoffwechsel im Blick, um die Beschwerden des Reizdarmsyndroms endlich zu befrieden. Sie sind dabei mehr als wirkungsvoll! Zu den so genannten 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten zählen unter anderem Alosetron (USA), Ramosetron (Japan) und Ondansetron (deutschsprachiger Raum off-label).

 

 Aber nicht nur medikamentöse lassen sich die Auswirkungen des Serotonins und anderer gastrointestinaler Hormone kontrollieren. Auch die Ernährungsumstellung kann erheblich dazu beitragen!

 

Ernährungsumstellung Schritt 1: low-FODMap-Diät

Die low-FODMAP-Diät reduziert den Anteil kurzkettiger, schwer verdaulicher Kohlenhydrate in der Ernährung. Es kommt zu geringerer Fermentation im Dickdarm, was weniger Gasbildung und osmotische Effekte zur Folge hat. Bild: Tim Reckmann/pixelio.de
Die low-FODMAP-Diät reduziert den Anteil kurzkettiger, schwer verdaulicher Kohlenhydrate in der Ernährung. Es kommt zu geringerer Fermentation im Dickdarm, was weniger Gasbildung und osmotische Effekte zur Folge hat. Bild: Tim Reckmann/pixelio.de

Das Akronym FODMAP zog um die Jahrtausendwende seine ersten Runden durch die wissenschaftlichen Fachjournale. Es steht für eine Gruppe kurzkettiger, schwer verdaulicher und fermentierbarer Kohlenhydrate (genauer Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole). Diese Kohlenhydrate entgehen besonders effektiv der menschlichen Verdauung im Dünndarm. Sie gelangen dadurch in den Dickdarm, wo sich bereits unzählige Bakterien unserer Darmflora (besser: des Mikrobioms) auf dieses Festgelage freuen. Bei der Verstoffwechslung der nicht resorbierten Kohlenhydrate kommt es zu Fermentationsprozessen, bei welchen verschiedene Gase (unter anderen Wasserstoff und Methan) entstehen und im Darm freigesetzt werden. Im ersten Schritt führt dies zu Blähungen, Bauchschmerzen und Unwohlsein. Doch durch die Gase werden auch osmotische Prozesse in Gang gesetzt, es kann etwas Flüssigkeit aus der Darmwand ins Darminnere gezogen werden. Folge sind dann Motilitätsveränderungen, z.B. Durchfall oder weicher breiiger Stuhlgang.

Verschiedene Forschergruppen erstellten aufgrund von Testverfahren Systematiken, in welchen sie Lebensmittel nach ihrem individuellen FODMAP-Gehalt kategorisierten (siehe unten). Diese Systematiken befinden sich in einem ständigen Wandel und einzelne Lebensmittel können je nach Region usw. unterschiedliche FODMAP-Mengen aufweisen. Wundern Sie sich also nicht, wenn ein Lebensmittel in einer Liste als FODMAP-arm und in einer anderen als moderat kategorisiert wird!

 

Die low-FODMAP-Ernährung weist heute die geballteste wissenschaftliche Evidenz unter den propagierten Reizdarm-Diäten auf. So unterstrich erst wieder kürzlich eine Metaanalyse deren Wirksamkeit bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms, vor allem der Reduzierung von Bauchschmerzen und Blähungen (Altobelli und Kollegen, 2017).

Zu den bisher bekannten Mechanismen der Kostumstellung nach dem low-FODMAP-Prinzip gehören kurzfristig die verminderte Fermentation und dadurch reduzierte osmotische Effekte, sowie langfristig eine Verminderung des Histaminspiegels im Darm und eben die (Rück-)verminderung der Dichte gastrointestinaler endokriner Zellen.

 

Zur praktischen Umsetzung der low-FODMAP-Diät gehören zwei Phasen. In der Eliminationsphase werden die betreffenden kurzkettigen Kohlenhydrate für einige Wochen möglichst stark reduziert, um die Symptome zu befrieden und eine Ausgangsbasis zu legen. Im zweiten, sehr wichtigen Schritt, wird die individuelle Verträglichkeit der FODMAP-Gruppen und Lebensmittel ausgetestet. Dieses Vorgehen ist unerlässlich für die Gestaltung einer möglichst individuellen, abwechslungsreichen Kost, welche die Aufnahme aller nötigen Vitamine und Mineralstoffe gewährleistet und die Schaffung einer gesunden Darmflora garantiert!

 

Im Folgenden finden Sie eine kurze Zusammenstellung über verträgliche Lebensmittel in der Eliminationsphase. Sollten Sie die low-FODMAP-Diät langfristig umsetzen wollen, empfiehlt sich die Anschaffung guter Lebensmitteltabellen und Kochbücher (siehe unten).

 

Kurzübersicht: Erlaubte Lebensmittel in der Eliminationsphase

Getreide und

Pseudogetreide

Gemüse Früchte

Fleisch, Fisch und

andere Proteine

Öle und andere

Fettquellen

Sonstiges

 Amaranth  Möhren Banane Rind, Geflügel, Schwein, Lamm, Wild Kokosöl und -milch Mandelmilch
Buchweizen Tomaten Heidelbeeren Fisch und Meeresfrüchte Pflanzenöl Reismilch
Hafer Sellerie Grapefruit Eier Margarine Schwarzer Pfeffer
Mais Gurke Kiwi Hartkäse und Butter Oliven Traubenzucker
Hirse Aubergine Orangen zertifiziert laktosefreie Milchprodukte (Joghurt, Quark, Milch etc.) Tahin Tee: schwarz, grün, Pfefferminz, Kamille
Quinoa Blattsalat Papaya Tofu Mayo Kaffee, auf eine große Tasse pro Tag reduzieren
Reis Zucchini Ananas   laktosefreie Sahne  
  Spinat Zitrone und Limette      
  Paprika rot Erdbeere      
alle aus den oben genannten hergestellten Produkte wie Nudeln, Pops, Waffeln, Brot, Kekse usw. (auf weitere, evtl. FODMAP-reiche, Zutaten achten Radieschen Früchte sollten in der Eliminationsphase nur sehr eingeschränkt genossen werden. Auch die erlaubten Sorten deshalb nur in kleinen Portionsgrößen und 1-2x am Tag. Fleisch und Fisch möglichst naturbelassen wählen, auf Gewürze und Zusatzstoffe prüfen    

Alles für den Einstieg in eine erfolgreiche FODMAP-reduzierte Kost

Die folgenden Kochbücher und Hilfsmittel zur low-FODMAP-Ernährung besitze ich alle auch selbst und kann sie uneingeschränkt empfehlen. Es handelt sich ausschließlich um deutschsprachige Publikationen. Besonders herausheben möchte ich "Das FODMAP-Konzept" von Carine Buhmann und Caroline Kiss, da es einen sehr übersichtlichen und strukturierten Überblick über die Ernährung bietet und gleichzeitig alltagstaugliche Rezepte zum praktischen Ausprobieren einladen. Eine weitere sinnvolle Investition ist sicherlich der FODMAP-Kompass, um beim Einkaufen oder Auswärtsessen immer den Überblick behalten zu können.

 

 

 

 

Ernährungsumstellung Schritt 2: Ballaststoffe, aber die Richtigen

Für die einen ein Fluch, für die anderen ein Segen. Die Rolle der Ballaststoffe beim Reizdarmsyndrom wurde lange kontrovers diskutiert. Dabei wissen wir heute, dass eine Unterart Ballaststoffe die Symptome lindern kann. Bild: Jörg Brinckheger/pixelio.de
Für die einen ein Fluch, für die anderen ein Segen. Die Rolle der Ballaststoffe beim Reizdarmsyndrom wurde lange kontrovers diskutiert. Dabei wissen wir heute, dass eine Unterart Ballaststoffe die Symptome lindern kann. Bild: Jörg Brinckheger/pixelio.de

Die guten, lieben Ballaststoffe sind eines der Reizthemen bei der Behandlung des RDS. Und dabei scheinen sie nicht nur die Gemüter der Betroffenen und Ärzte, sondern auch unseren Darm zu reizen. Für viele Ärzte stand und steht heute noch fest, dass von einem Reizdarmsyndrom betroffene Menschen mehr Ballaststoffe essen sollten. Dies kann in Form von Vollkornprodukten, Gemüse oder eben Supplementen (Nahrungsergänzungsmitteln) geschehen. Immerhin haben frühe Studien gezeigt, dass Reizdarmpatienten tatsächlich weit weniger Ballaststoffe verzehrten, als gesunde Vergleichspersonen. Allerdings lag hier ein klassischer Fehlschluss vor, den man heute Studienanfängern um die Ohren hauen würde. Die Betroffenen hatten keine Darmbeschwerden, weil sie zu wenig Ballaststoffe aßen, sondern sie aßen weniger Ballaststoffe, weil diese zu Beschwerden führten (unter anderem kommt es zu einer vermehrten Fermentation durch eine veränderte Darmflora und zu einer gesteigerten Reizwahrnehmung durch die Hypersensitivität). Viele Patienten mussten also die unschöne Erfahrung machen, dass sich ihre Symptome durch die Empfehlungen ihres Arztes noch verschlimmerten, denn neben dem Ballaststoffgehalt stieg gleich auch noch die FODMAP-Zufuhr (in vielen Gemüsesorten und den in Deutschland üblichen Getreidearten).

 

Ballaststoffe erhielten ihren Namen durch die mangelnde Fähigkeit des menschlichen Verdauungstraktes diese aufzuspalten und zu verwerten. Sie wurden als tatsächlich "Ballast" angesehen, welcher eben mit verschiedenen Lebensmitteln einhergeht. Dabei sind die wertvollen Stoffe alles andere als das. Verwertet werden sie zwar nicht vom Menschen direkt, aber von einem unserer Mitbewohner, dem menschlichen Mikrobiom. Ballaststoffe sind für die Gesunderhaltung essentiell und werden mit vielen förderlichen Prozessen in Verbindung gebracht, u.a. können sie das Darmmilieu stabilisieren, was vor einer Vielzahl an Erkrankungen (von Reizdarm bis MS!) schützen kann.

 

Grob unterteilt werden die Ballaststoffe in wasserlösliche und wasserunlösliche. Dabei zeigte sich in vielen Studien und Metaanalysen, dass die wasserlöslichen Ballaststoffe dem Reizdarmpatienten sehr wohl helfen können (und zwar allen Subtypen), während die unlöslichen Ballaststoffe (in Kleie, Vollkornprodukten und vielen Gemüsesorten) sogar Beschwerden provozieren. Es kommt also nicht unbedingt auf die absolute Menge, sondern eher auf das Verhältnis der Faserstoffe an. So zeigten Wissenschaftler in einer umfangreichen Metaanalyse die positiven Effekte wasserlöslicher Ballaststoffe auf die globalen Symptome, besonders aber auf die quälenden Bauchschmerzen, während sich mit wasserunlöslichen Fasern keinerlei Verbesserungen (und in manchen Fällen sogar Verschlechterungen) erzielen ließen (Nagarajan und Kollegen, 2015). Neben der langfristigen Begünstigung probiotischer Darmbakterienstämme wird auch ein Einfluss auf die endokrinen Zellen des Darmsystems diskutiert.

 

Generell zu empfehlen ist also eine Kost, welche die Aufnahme wasserlöslicher Ballaststoffe forciert, während sie den Verzehr wasserunlöslicher Fasern einschränkt. Dies lässt sich auch gut mit der low-FODMAP-Strategie kombinieren. da viele der dort erlaubten Lebensmittel (vor allem aber brauner Reis, Quinoa, Hafer, Kartoffeln und Karotten) wasserlösliche Ballaststoffe liefern. Das Augenmerk bei der Ballaststoffzufuhr sollte also auf diese Quellen gelegt werden, während man Früchte und Gemüse (welche fast immer auch unlösliche Fasern enthalten) etwas mehr "links liegen lässt", bzw. deren Mengen vorsichtig schrittweise erhöht.

 

Empfehlung: isolierte wasserlösliche Fasern einsetzen

Die Rechnung scheint der Datenlage nach ganz einfach zu sein: wasserunlösliche Ballaststoffe triggern den Reizdarm, während wasserlösliche Ballaststoffe Bauchschmerzen lindern und den Stuhlgang verbessern. Leider enthalten alle Lebensmittel (auch die oben genannten) immer einen Ballaststoffmix, so dass wir uns eine höhere Menge der "guten" Ballaststoffe immer auch mit einer Vermehrung der "ungünstigen" erkaufen. Isolierte lösliche Ballaststoffquellen bieten hier eine gute Alternative, denn sie basieren ausschließlich auf löslichen Ballaststoffen und haben sich schon in vielen Studien bei der Behandlung von Reizdarmbeschwerden bewährt.

 

 

 

 

Ernährungsumstellung Schritt 3: weniger Fett und Kohlenhydrate, mehr Protein

Das Reizdarmsyndrom erfordert eine gezielte Ernährungsumstellung nicht nur hinsichtlich potentieller Triggerfaktoren (bspw. FODMAPs). Auch eine Änderung der klassischen westlichen Nährstoffverteilung ist sinnvoll. Bild: Helene Souza/pixelio.de
Das Reizdarmsyndrom erfordert eine gezielte Ernährungsumstellung nicht nur hinsichtlich potentieller Triggerfaktoren (bspw. FODMAPs). Auch eine Änderung der klassischen westlichen Nährstoffverteilung ist sinnvoll. Bild: Helene Souza/pixelio.de

Bereits Elaine Gottschall, MSc, die "Mutter" der Speziellen Kohlenhydratdiät (SCD) führte in ihrem Werk "Diät bei Morbus Crohn und Kolitis ulcerosa" aus, dass die individuellen Makronährstoffe auf Patienten mit Darmstörungen eine sehr unterschiedliche Wirkung zeigen. Ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrung mit hunderten CED- aber auch Reizdarmpatienten nach, verträgen diese mageres Protein am allerbesten, Fett um einiges schlechter und hätten am meisten Probleme mit komplexen Kohlenhydraten. Und auch neuere wissenschaftliche Evidenz scheint diese Interpretation zu unterstreichen.

Obwohl Protein zu einem gewissen Grad der menschlichen Verdauung entgeht, ließen sich in verschiedenen Studien keine negativen Auswirkungen auf die Darmflora, die Motilität oder die Hypersensitivität von chronisch Darmkranken beobachten. Ein erhöhter Proteinkonsum kann, zumindest teilweise, eine reduzierte Ballaststoffzufuhr ausgleichen, denn auch bei der Verstoffwechslung von Protein durch die Darmbakterien entstehen die wichtigen kurzkettigen Fettsäuren mit ihren gesunderhaltenden Eigenschaften für die Darmschleimhaut bzw. das Darmmilieu.

Kohlenhydrate sind nicht per se problematisch, aber der Erfolg der FODMAP-Strategie zeigt deutlich, dass große Teile dieses Makronährstoffs problembehaftet sind, darunter (im Gegensatz zu Elaine Gottschals These auch Einfachzucker wie Fruktose). Hinzu kommt weiterhin dass auch einige Stärkeformen für viele Menschen mit Darmstörungen schwerer verdaulich sind und somit zu Problemen führen können. Da Kohlenhydrate einen Großteil der Ernährung vieler Menschen ausmachen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diesbezügliche unverträgliche Kohlenhydratarten konsumiert werden. Kohlenhydratarme Diäten haben sich in Studien als wirkungsvolles Therapeutikum zur Linderung des Reizdarms erwiesen. Eine Minderung des Kohlenhydratanteils hin zu einer moderaten Aufnahme scheint also gerechtfertigt, auch um den Ballaststoffgehalt zu kontrollieren.

Fett zeigt gleich mehrere "Baustellen" für Reizdarmpatienten. Im Labor zeigte sich so u.a., dass Fett im Darmtrakt die Hypersensitivität verstärkt (Schmerzen also eher wahrgenommen werden), den Gastransport behindert - dadurch zu schmerzhaften Blähungen führt, durch den gastrokolischen Reflex Kontraktionen der Darmmuskulatur erzeugt und die Motilität anregt. Weiterhin finden sich bei vielen RDS-Betroffenen Störungen der Gallensäurenproduktion und -absorption oder der Bauchspeicheldrüsenenzyme, so dass ohnehin eine Fettunverträglichkeit besteht. Der Anteil des Nahrungsfettes sollte also im Vergleich zu westlichen Industrienationen deutlich gesenkt werden.

 

Empfehlungen für die Makronährstoffverteilung

  1. Proteinkonsum erhöhen (Zielwert 30-35% der Gesamtkalorien): mageres Fleisch, magerer Fisch und Meeresfrüchte, Eiklar, magere laktosefreie Milchprodukte, Tofu
  2. Fett deutlich reduzieren (Zielwert 20% der Gesamtkalorien): verbleibendes Fett aus Olivenöl, Leinöl, geringe Mengen in Fleisch, Fisch und Milchprodukten (ABER: auf ausreichende Omega-3-Zufuhr achten!)
  3. Kohlenhydrate auf ein moderates Maß senken (Zielwert 45% der Gesamtkalorien): verbleibende Kohlenhydrate aus Quinoa, Reis, Hafer, FODMAP-armen Gemüsesorten, wenigen geeigneten Früchten

 

Die Integration der Empfehlungen in ein stimmiges Gesamtkonzept

Wie könnte eine solche Ernährungsumstellung also konkret aussehen? Die Basis der alltäglichen Kost bilden gesunde Pseudogetreide wie Reis, Quinoa und Hafer, welche besonders reich an löslichen Ballaststoffen sind. Ergänzt werden diese Kohlenhydratquellen durch Kartoffeln (mein Oberlausitzer Herz jubelt). Wichtig ist, damit es nicht eintönig wird, diese Basics in verschiedenen Formen anzubieten (als Brot, Nudeln, Getreidebrei, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt). In den meisten Supermärkten von Kaufland bis REWE finden sich inzwischen Reisbrot und -brötchen. Zusätzlich sollten ab und an auch andere FODMAP-arme Getreidesorten auf dem Programm stehen, etwa Mais als Polenta, Buchweizenwaffeln, oder auch Hirsebratlinge.

Zu dieser Basis gesellt sich zu annähernd jeder Mahlzeit eine Portion mageres Protein in Form von magerem Fleisch bzw. Fisch, laktosefreien Milchprodukten oder Tofu. FODMAP-arme Gemüsesorten gehören ebenfalls zu jeder Mahlzeit fest dazu.

Fett bzw. Öl wird nur sehr sparsam eingesetzt. Wenn wir es zum Braten benötigen, verwenden wir Kokosöl, für Salate und andere Rohkost Oliven- und Leinöl.

Generell werden wir auf allzu sehr verarbeitete Lebensmittel verzichten müssen und viel selber frisch zubereiten. Dies ist schon maßgeblich nötig, um den FODMAP-Gehalt unter Kontrolle zu halten.

 

Generell gelten natürlich auch die typischen Empfehlungen der RDS-Ernährung:

  1. Lieber vier kleinere Mahlzeiten als zwei oder drei große (gastrokolischer Reflex, Enzympotential).
  2. Ordentlich kauen, Zeit nehmen zum Essen.
  3. Nicht zu knapp vor dem Zubettgehen essen.
  4. Maßvoll genießen.

 

Ein Tagesbeispiel mit 1800kcal für eine mäßig aktive Frau (Bürojob)

Frühstück

50g Haferflocken als Porridge

250ml Reismilch

50g Heidelbeeren

30g Reisprotein

Zimt und gemahlene Vanilleschote nach Belieben

Espresso

 

Mittagessen

200g Hähnchenstreifen (in einem Teelöffel Öl geschwenkt)

50g (ungekocht abgewogen) Jasminreis

mediterrane Gemüsepfanne (1 Möhre, 1 kleine Zucchini in Nudelform, 1 Tomate, 1/2 Aubergine)

 

Snack für Zwischendurch

1 Packung laktosefreier Hüttenkäse

2 Selleriestangen

1 mittlere Orange

2 Reiswaffeln

 

Abendessen

150g Mandeltofu

50g (ungekocht abgewogen) Quinoa

bunter Salat (Blattsalat, roter Paprika, Gurke, Radies) mit Essig und Zitrone

 

1825kcal: 138g Protein, 195g Kohlenhydrate, 40g Fett, 30g Ballaststoffe

Hinweis: Auf diese Ballaststoffmenge muss sich langsam hingearbeitet werden (vorerst weitaus weniger Gemüse einsetzen, oder Hafer durch Reisporridge ersetzen etc.)

 

Tagesbedarf aller B-Vitamine gedeckt, 250% der Vitamin C Empfehlung, Kalzium, Eisen, Zink, Magnesium über der empfohlenen Tagesdosis

 

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