Reizdarm und Kraftsport bzw. Bodybuilding - Was kann und soll ich essen?

Stark trotz Reizdarm: Dafür muss die Ernährung stimmen!

Als ambitionierter Kraftsportler (früher Kraftdreikampf, heute Crossfit), Sporttherapeut, Hesundheitsjournalist und ehrenamtlicher "Reizdarmberater" bekomme ich diese eine Frage ganz besonders häufig gestellt:

 

Wie kann ich genügend Kalorien und Protein zu mir nehmen, damit ich mehr Muskeln aufbaue, Kraft für ein anstrengendes Kniebeugentraining habe, noch mehr Fett verliere etc., wenn doch mein Darm nach jeder Mahlzeit um Gnade winselt oder Übelkeit und Blähungen mich am Essen hindern?

 

 Da ich diese komplizierte Frage vor vielen Jahren für mich selbst beantworten musste, möchte ich meinen (kraft-)sportbegeisterten Lesern heute einen kleinen Leitfaden anbieten, welcher besonders durch persönliche Erfahrungen in meinem Trainingsalltag, meiner Beratungspraxis und natürlich viele wissenschaftliche Studien geprägt sein wird.

 


Bodybuilding, Powerlifting, Darmkrankheiten

Disclaimer: Zuerst einmal möchte ich betonen, dass es sich hier um recht allgemein gehaltene Empfehlungen handelt. Solltest du dich auf einem sehr hohen athletischen Niveau bewegen und nimmst bspw. an Figur-Wettkämpfen teil, dann solltest du dich ohnehin von einem erfahrenen Trainer bzw. Sport-/Ernährungswissenschaftler beraten lassen. Doch auch für den fortgeschrittenen Sportler können die folgenden Punkte interessant sein, geben sie doch hoffentlich nützliche Hinweise, welche Lebensmittel bei einem gereizten Darm ausgetauscht werden sollten, um eine möglichst energiereiche und schmerzarme Performance abzuliefern. (Semi-)professionelle Athleten sollten dann natürlich ihre Makronährstoffverteilung etc. entsprechend anpassen, um ihren körperlichen Bedürfnissen noch gerechter zu werden! 

 

Wo liegt eigentlich das Problem?

Bodybuilding ist zu 85% Ernährung.

Vince "the Iron-Guru" Gironda

 

Diesen Satz des berüchtigten "trainer of the stars" würde ich auch heute noch sofort unterschreiben. Viele Anfänger glauben leider, dass sie eine schreckliche Ernährung durch regelmäßiges intensives Training wettmachen könnten. Das ist aber nicht der Fall. Für Figurathleten ist es nahezu unmöglich, aber auch die leistungsorientierteren Disziplinen Crossfit, Powerlifting und Gewichtheben stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn bspw. der Kalorienbedarf längerfristig unterschritten wird, oder bei der Lebensmittelqualität und -auswahl allzu große Abstriche gemacht werden.

 

Doch gerade Betroffene von chronischen Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Zöliakie stoßen dabei immer wieder auf gehörige Schwierigkeiten (zumindest scheint dies so, aber dazu später). In nahezu jedem Buch, jedem Blog oder Video zum Thema wird uns gepredigt, dass wir mehr und qualitativ-hochwertig essen müssen, wenn wir Muskeln und Kraft aufbauen wollen. Dies funktioniert seit Generationen in der Kraft- und Fitnesswelt, aber wie sollst du bspw. 15% mehr Kalorien zu dir nehmen, wenn du bereits Schwierigkeiten hast, dein aktuelles mageres Körpergewicht zu halten? Was kannst du denn essen, wenn der Darm zwickt und die klassischen Empfehlungen der Bodybuilder zu Durchfall und Bauchschmerzen führen?

 

Mit der letzten Frage sind wir schon beim nächsten Problem. Typische Lebensmittel für Kraftsportler und Bodybuilder wie Vollkornprodukte, Proteinpulver, Leinsamen, Salat oder Nüsse sind absolutes Gift für einen ohnehin strapazierten Darm und verschlimmern meistens die ausgeprägten Beschwerden! Viele junge Leser (erfreulicherweise auch Frauen) schreiben mir, dass sie die Empfehlungen von Youtube-Fitnessmodel xy für eine Woche ausprobiert hätten, ihr Darm dabei aber innerhalb kürzester Zeit "Amok gelaufen" sei. Das ist nicht verwunderlich: Kombinieren wir für den Darmkranken problematische Produkte und Inhaltsstoffe mit einer gesteigerten Kalorienzufuhr (mehr fermentierbares Substrat, mehr immunogene Trigger) stehen wir vor einer Katastrophe gewaltigen Ausmaßes. Leider verwerfen nach einigen gescheiterten Versuchen viele dieser "gebrannten Kinder" ihre Figur- oder Wettkampfziele und begründen dies mit ihrer Krankheit. Dabei ist ein intensives Training mit einer Darmerkrankung sehr wohl möglich. Zum Erreichen deiner Traumform oder des neuen Kreuzheberekords musst du aber die Ernährung an dein Training UND die Bedürfnisse deines Darms anpassen! Und dieses Kunststück ist tatsächlich möglich. Ich zeige dir heute, wie! 

 

Vergiss Vollkornprodukte, Nüsse, Milchprodukte und Salate - ein alternativer und reizarmer Weg zu Kraft und Muskeln

Glauben wir Vince Gironda (und das solltest du wirklich tun, der Mann war seiner Zeit um Generationen voraus), dann brauchen wir eine sportspezifische Ernährung, um das Beste aus unserem Körper herauszuholen. Wie kannst du dies mit einer chronischen Darmkrankheit gewährleisten, ohne dass du damit dein körperliches Wohlbefinden und deine Lebensqualität weiter ruinierst?

 

Das ist gar nicht so schwer! Grundsätzlich folgst du meinen allgemeinen Ernährungsregeln für das Reizdarmsyndrom und andere Darmerkrankungen. Das bedeutet in erster Linie, dass du Lebensmittel mit hohem Fermentationspotenzial reduzieren solltest. Streiche also Lebensmittel aus deinem Ernährungsplan, welche viele FODMAPs (Laktose, Fruktose, Fruktane, Oligosaccharide, Polyole), zu viele Ballaststoffe und resistente Stärke enthalten. Da in diesem Artikel nicht der Raum ist, um auf die einzelnen Konzepte näher einzugehen, möchte ich dir ans Herz legen, dich auf meiner Seite etwas eingehender einzulesen. Die Übersicht zur Diät beim Reizdarmsyndrom ist ein ausgezeichneter Startpunkt dafür! Solltest du dich darüber hinaus noch weiter in die Materie vertiefen möchten, dann füge ich hier noch einige Buchempfehlungen und Lebensmitteltabellen an, in welchen du genau erfährst, welche Nahrungsmittel bei einem Reizdarm oder einer anderen Darmerkrankung geeignet sind oder zu Beschwerden führen!

 

 

FODMAP-Konzept

Einführung in das Thema schwer-verdauliche kurzkettige Kohlenhydrate und Darmerkrankungen mit vielen Erklärung, Lebensmittellisten und Rezepten.

FODMAP-Tabellen

Tabellenband mit Übersichten zu unzähligen Lebensmitteln und einer Einordnung und Orientierungshilfe zur Verträglichkeit bei Reizdarmsyndrom und Co.

Perfect Health Diet

Praktische Kombination aus Paleohypothese, sicherer Stärke und geringer Fermentation. Klärt über die Vorteile einer fettreichen Ernährung gegenüber Kohlenhydratlast auf und berücksichtigt Trigger und Antinährstoffe. 


Dies ist bereits der wichtigste und größte Schritt, den du bei der Erstellung eines individuellen Ernährungsplanes für dein sportliches Ziel berücksichtigen solltest. Doch warum ist das so?

 

Ganz kleiner Exkurs zum Thema Fermentation: In den vergangenen Monaten habe ich mich bemüht aufzuzeigen, dass das Reizdarmsyndrom ganz besonders durch Fermentationsprozesse geprägt ist. Schwer verdauliche Kohlenhydrate (FODMAPs) und nicht verdauliche Faserstoffe (Ballaststoffe) werden nicht ausreichend vom Dünndarm resorbiert (für letztere ist dies auch nicht vorgesehen) und gelangen somit in den Dickdarm. Dort stehen sie unseren bakteriellen Bewohnern (dem Mikrobiom oder der Darmflora) als Nahrungsquelle zur Verfügung. Sowohl probiotische (gute) als auch potentiell-pathogene (eher ungünstige) Bakterienstämme und andere Mikroorganismen setzen bei diesem Fermentationsprozess Gase (v.a. Wasserstoff und Methan) und Endotoxine (Lipopolysaccharide) frei. Es kommt zu Blähungen und Flatulenz. Durch die entstandenen Gase werden weiterhin osmotische Effekte provoziert, die schlussendlich zu Durchfällen führen können. Die erhöhte Schmerzsensitivität beim Reizdarmsyndrom lässt uns diese Vorgänge besonders intensiv und als unangenehm wahrnehmen. 

Entziehen wir der Verdauungs allerdings das fermentierbare Substrat, vermindern sich nicht nur Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfälle, sondern dein Darm erholt sich durch eine verminderte Freisetzung von Endotoxinen, eine geringere bakterielle Last und reduzierte Entzündungsneigung (bspw. De Palma et al.,2017). Nach meiner Erfahrung steigert sich die Toleranz gegenüber FODMAPs und Ballaststoffen nach einigen Wochen bis Monaten mit dieser Ernährungstherapie, so dass du wieder vermehrt mit FODMAP-haltigen Obst- und Gemüsesorten, Nüssen etc. experimentieren kannst!

 

Das FODMAP-Prinzip in der schematischen Darstellung: nicht ausreichende Aufspaltung und Verdauung im Dünndarm, bakterielle Verwertung, Entstehung von mikrobiellen Stoffwechselendprodukten, Hypersensitivität, Wassergehalt. Entnommen: Werlang et al.,2019
Das FODMAP-Prinzip in der schematischen Darstellung: nicht ausreichende Aufspaltung und Verdauung im Dünndarm, bakterielle Verwertung, Entstehung von mikrobiellen Stoffwechselendprodukten, Hypersensitivität, Wassergehalt. Entnommen: Werlang et al.,2019

Was kann ich mit einem Reizdarmsyndrom essen, um Muskeln aufzubauen?

Ernährungsempfehlungen bezüglich der Makronährstoffverteilung im Kraftsport gibt es wie Sand am Meer. Ich möchte hier auch nur ungern ausführlicher über deren Sinn und Unsinn diskutieren. Grundsätzlich wichtig ist, dass du als Athlet von einer gesteigerten Proteinzufuhr profitieren kannst. Dabei sollten 600kcal aus Protein meiner Meinung nach nicht weit überschritten werden, da es Hinweise gibt, dass Protein ab dieser Schwelle toxisch wirken kann. Weiterhin verfügen Betroffene von Darmkrankheiten oft über eine verringerte Resorptionsrate (siehe unten). 600kcal entsprechen übrigens 150g Protein. Dies wären für einen 90kg schweren Sportler knapp 1,7g pro Kilogramm Körpergewicht. Meines Wissens nach gibt es keine einzige wissenschaftliche Studie, die einen Nutzen bei höheren Werten für naturale Athleten gezeigt hätte (siehe u.a. Lemon und Kollegen, 1992). Alles andere ist Marketinggewäsch der Supplementindzustrie! 150g Protein können aber problemlos aus natürlichen Nahrungsquellen bezogen werden.

 

Verträgliche Proteinquellen bei chronischen Darmerkrankungen: Die gute Nachricht ist, dass die meisten klassischen Proteinquellen nicht fermentierbar sind und daher meist unproblematisch eingesetzt werden können! Dazu gehören:

 

  • Fleisch (Huhn, Rind etc.)
  • Fisch
  • Meeresfrüchte
  • Eier
  • laktosefreie Milchprodukte (auf Immunreaktionen achten!)

 

Eier und selbst laktosefreie Milchprodukte können unter Umständen zu Unverträglichkeitsreaktionen führen. Bei dem vermuteten oder nachgewiesenen Vorliegen einer erhöhten Schleimhautpermeabilität sollten beide Lebensmittelgruppen erst einmal reduziert oder gemieden werden, bis sich der Darm erholt hat. Generell sind Fleisch und Fisch die unproblematischsten Nahrungsquellen für Sportler mit Darmproblemen.

 

Gemieden werden sollten unbedingt pflanzliche Proteine wie Sojaprodukte, Hülsenfrüchte, Quinoa, Glutenprodukte und Nüsse.

 

Möchtest du deine Verträglichkeit gegenüber Eiern und Milchprodukten individuell austesten anstatt auf Risiko zu pokern, dann bieten sich einige unkomplizierte Tests für zuhause an. Leider gehören gerade Milchproteine (Laktalbumin, Laktoglobulin und Kasein) und Eiklar zu den häufigsten Lebensmittelallergenen. Und um das Drama perfekt zu machen, ist die Häufigkeit allergischer Reaktionen gegenüber diesen Triggern beim Reizdarm noch einmal um den Faktor zwei erhöht. Noch einmal auf deutsch: Leidest du an Beschwerden wie Durchfällen, Blähungen und Bauchschmerzen, hast du eine Chance von 20% oder einem Fünftel an einer Milch(produkt)allergie zu leiden (meist, ohne davon zu wissen). Ich persönlich kann dir eine erweiterte Diagnostik nur ans Herz legen, damit du dich durch eine Sportlerkost, die deinen Körper eigentlich stark machen soll, nicht sogar weiter schädigst ... 

 

Nahrungsmittelallergie

Bei diesem Test auf IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien entnimmst du das Blut unkompliziert aus deiner Fingerkuppe. Neben Milch, Kasein und Ei werden noch weitere relevante Lebensmittelallergene getestet, die für deine Bauchbeschwerden verantwortlich sein könnten, damit du deine Bodybuildingdiät langfristig, individuell und vor allem schmerzfrei gestalten kannst.

Darmbarriere

Der Zonulin-Stuhltest gibt dir Auskunft über den Zustand deiner Darmbarriere (Hinweis auf Leaky Gut Syndrom). Ist deine Darmbarriere durchlässig, solltest du möglichst auf problematische Proteine verzichten und dich weitestgehend auf rotes Fleisch als Proteinquelle verlassen. Das Ergebnis sollte durch ein Allergiescreening ergänzt werden (Allergien können die Darmbarriere via Mastzellen durchlässiger machen).


Woher kommt die Energie für ein schweres Training?

Grundsätzlich stehen unserem Körper zwei Energieträger zur Verfügung - Kohlenhydrate und Fette. Beim Reizdarm ist es entgegen der früher weit verbreiteten Meinung sogar empfehlenswert, eine größere Fettmenge zu konsumieren. Denn wie die meisten Proteinquellen hat reines Fett kaum Fermentationspotenzial. Außerdem unterstützt es die Regeneration der Darmschleimhaut und verbessert die Kohlenhydratabsorptionsrate.

Aus den genannten Gründen würde ich dir empfehlen, den größten Teil deines persönlichen Kalorienbedarfs durch gesunde (wenig Omega 6, keine Transfette) Fette zu decken. Dazu gehören beispielsweise:

 

  • Olivenöl
  • Butter
  • Sahne
  • Talg vom Weiderind
  • Kokosöl
  • Palmöl
  • Fette aus erlaubten Proteinquellen (fetter Seefisch für Omega 3, Weiderind, laktosefreier Milchprodukte, Eier etc.)

 

Die Menge der zu konsumierenden Fette richtet sich dabei nach der Kohlenhydrataufnahme. Kohlenhydrate sind der für Darmkranke problematischste Makronährstoff, da die meisten Kohlenhydratquellen FODMAPs, resistente Stärke oder viele Ballaststoffe enthalten. Je nach Ziel würde ich die obere Kohlenhydratgrenze bei etwa 30% der Gesamtkalorien ziehen. In einer Definitionsphase kann man entsprechend reduzieren.

 

 

Geeignete Kohlenhydratquellen für Darmkranke (niedriges Fermentationspotenzial):

 

  • weißer Jasmin- oder Rundkornreis
  • mehlig-kochende Kartoffeln
  • glutenfreie(!) Haferflocken (wegen der hohen NZGS-Rate beim Reizdarm, bis zu 60% der RDS-Betroffenen mit Durchfall leiden Studien zufolge unter einer nicht-Zöliakie Glutenunverträglichkeit)
  • FODMAP-arme Obstsorten in Maßen (Bananen, Orange, Kiwi etc.)

 


Wie bezieht mein Körper dann die notwendigen Vitamine und Mineralstoffe?

Hierbei ist wichtig zu erwähnen, dass nicht nur Obst, Gemüse und Vollkornprodukte diese wichtigen Mikronährstoffe enthalten, wie man es uns oft Glauben machen will. Die meisten tierischen Produkte weisen sogar eine erheblich höhere Nährstoffdichte auf. Mit der Einbeziehung der folgenden Lebensmittel kannst du deine Mikronährstoffzufuhr in die Höhe treiben:

 

  • Leber, Niere und Herz vom Weiderind, Lamm oder Ziege
  • fetter Kaltwasserfisch
  • Eigelb
  • Meeresfrüchte
  • FODMAP-arme "bunte" Gemüsesorten (Tomaten, Möhren, Radieschen usw.)

 

Entscheidend ist auch die Kalorienmenge

Mit einer proteinreichen und symptomlindernden Kost allein ist es natürlich nicht getan. Ganz entscheidend ist deine täglich zugeführte Energiemenge. Übersteigt diese deinen individuellen Kalorienverbrauch, nimmst du zu (beim Muskelaufbau ist ein leichter Überschuss erwünscht), unterschreitest du den Kalorienverbrauch, nimmst du ab (Definition, "Gewicht machen" für Sportler in Disziplinen mit Gewichtsklassen).

 

Um deinen persönlichen Kalorienbedarf zu bestimmen, schreibst du über eine Woche lang auf, was du so täglich an Lebensmitteln und Getränken konsumierst. Überschlage dann die aufgenommenen Kalorien mit Hilfe einer herkömmlichen Kalorientabelle oder eines Online-Tools. Deine Ernährung sollte in dieser Zeit so ausgelegt sein, dass du weder zu- noch abnimmst. Dann teilst du die aufgenommenen Gesamtkalorien durch sieben. Mit dieser Methode erhebst du deinen durchschnittlichen täglichen Kalorien(erhaltungs)bedarf. Von letzterem ziehst du je nach Ziel 10% ab (Definition) oder schlägst diese entsprechend auf (Muskelaufbau). Im Laufe der vergehenden Wochen und Monate werden sich dann weitere (genauere) Anpassungen ergeben.

 

Hinweis: Von festen Formeln zur Berechnung des täglichen Kalorienbedarfs halte ich eher wenig. Zu stark sind die interindividuellen Unterschiede zwischen den einzelnen Sportlern. Kommt eine chronische Erkrankung hinzu, sind diese Differenzen noch deutlicher ausgeprägt. So finden sich bei einem Reizdarm auch häufiger Stoffwechseldefizite wie der Prädiabetes oder eine milde Unterfunktion der Schilddrüse, welche die Energieausbeute und -verwertung mitunter drastisch beeinflussen können. Deshalb solltest du lieber den oben beschriebenen praktischen Ansatz wählen!

 

Verdauungsprobleme trotz fermentationsarmer Kost?

Viele Athleten kommen mit dieser Ernährungsform schon viel besser zurecht, als mit den vielen Vollkornprodukten, Magerquarkbechern und den übergroßen Salatschüsseln. Doch einige wenige klagen auch nach der Ernährungsumstellung über Probleme. Hier können unter anderem Bauchspeicheldrüsen- bzw. Gallenprobleme die Ursache sein.

Um diese auszuschließen empfehle ich immer eine entsprechende Funktionsdiagnostik, welche ohnehin jeder Darmpatient absolviert haben sollte, denn ca. 30% der Betroffenen mit Bauchschmerzen und Blähungen leiden an einem Gallensäureverlustsyndrom, während weitere bis zu 10% von einer Schwäche der Bauchspeicheldrüse betroffen sind. Liegt beispielsweise ein Gallensäureverlustsyndrom vor, wird vor allem Fett schlecht vertragen. Du kannst gezielt mit der Gabe von u.a. Colestyramin gegensteuern und die Fettverträglichkeit entscheidend verbessern. Sprich deinen Gastroenterologen auf die entsprechende Diagnostik an.

 

Die Pankreasinsuffizienz oder Bauchspeicheldrüsenschwäche sorgt durch eine verminderte Freisetzung von Verdauungsenzymen dafür, dass besonders höhere Proteinmengen schlecht vertragen werden (ein typisches Zeichen: unangenehm stinkende Blähungen nach Proteinkonsum). Auch diese Störung kann gezielt vom Arzt über die Bestimmung der Pankreas-Elastase diagnostiziert werden. Ein Trick in diesem Zusammenhang, welchen bereits der oben zitierte Vince Gironda empfahl, ist die Einnahme hoch-dosierter Verdauungsenzyme vor den Mahlzeiten. Diese sorgen für eine bessere Aufspaltung und somit Aufnahme von Proteinen, Fetten und Stärke. Viele Reizdarmpatienten profitieren stark davon.

 

Supplemente: meist überflüssig, manchmal sogar schädlich

Ich muss zugeben, dass ich den vielen heute erhältlichen Supplementen (Weight-Gainer, Proteinpulver, Booster etc.) mehr als kritisch gegenüber stehe. Hier wird meiner Einschätzung nach sehr viel Geld verdient und die oft minderwertigen und teilweise sogar gesundheitlich bedenklichen Inhaltsstoffe rechtfertigen nicht annähernd den Preis. Ich vertrete eher einen sehr klassischen Ansatz, lebe und propagiere, was schon seit Generationen funktioniert: Gute, naturbelassene Ernährung und hartes Training. Wer an den Möglichkeiten dieser einfachen Formel zweifelt, der solle sich bitte einmal die legendären Bodybuilder und Körperkulturisten der Vor-Steroid-und-Supplement-Ära anschauen.

 

Einige erhältliche Supplemente mögen dennoch ihre Berechtigung haben (auch wenn man meiner Meinung nach erst einmal den Rest im Griff haben sollte - Training, Ernährung, Erholung, Mindset. Meine Faustregel als Trainer vieler junger Athleten: Supplemente muss man sich "verdienen". Schaffst du erst einmal das 1,5fache deines Körpergewichtes beim Bankdrücken, das 2fache beim Kniebeugen und das 2,5fache beim Kreuzheben in sauberer Form, dann kannst du über den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln nachdenken. Doch auch das ist keinesfalls ein Muss! Ich liege mitunter weit über diesen Vorgaben und konsumiere keinerlei Supplemente. Ich esse lediglich ordentlich, so wie hier beschrieben). Leider ist es oft sehr bescheiden um deren Darm-Verträglichkeit von Kraftsport-Supplementen bestellt. So erlebe ich immer wieder (sonst kerngesunde) Sportler, welche über Magen- oder Darmprobleme nach dem Konsum von Proteinshakes oder Kreatin berichten, welche bei Abstinenz wie "von Zauberhand" verschwinden. Das hat damit zu tun, dass viele Nahrungsergänzungsmittel zum vermeintlich schnelleren Muskelaufbau mit synthetischen Zusatzstoffen angereichert werden, welche diesen erst einen angenehmen oder wenigstens tolerierbaren Geschmack verleihen. Schau dir einmal die Inhaltsstoffe deines Boosters, deines Weightgainers etc. etwas genauer an! Künstliche Farb-, Geschmacks- und Konservierungsstoffe, sowie einige der weit verbreitetsten Binde- und Verdickungsmittel gehören aber zu den Haupttriggern von Darmbeschwerden, lokalen Entzündungen, Störungen der Darmbarriere und erhöhen sogar dein persönliches Risiko, an einer chronisch-entzündlichen Darmkrankheit wie Colitis ulcerosa zu erkranken (z.B. Laudisi et al.,2019; Rininella et al.,2020). Hier solltest du am besten Wissenschaftler spielen und etwas experimentieren. Bestehen Verdauungsbeschwerden trotz fermentationsarmer Diät, Verdauungsenzymen und störungsfreier Funktionsanalyse weiter, dann würde ich nach und nach für einige Zeit testweise alle Supplemente aus dem Speiseplan verbannen!

  

Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen künstlichen Zusatzstoffen wie Farbstoffen, Zuckeralkoholen, Emulgatoren usw., der gestörten Darmflora (Dysbiose) und Beschwerden des Reizdarms wie Blähungen , Bauchschmerzen. Aus: Rinninella et al.,2019.
Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen künstlichen Zusatzstoffen wie Farbstoffen, Zuckeralkoholen, Emulgatoren usw., der gestörten Darmflora (Dysbiose) und Beschwerden des Reizdarms wie Blähungen , Bauchschmerzen. Aus: Rinninella et al.,2019.

Welches Proteinpulver ist beim Reizdarmsyndrom geeignet?

Neben den Fragen zur richtigen Ernährung bezüglich Kraftsport und Reizdarm, steht eine weitere klar im Fokus meiner Leser: Jene, nach dem perfekten verträglichen Proteinpulver. Meine generelle Meinung zu Nahrungsergänzungsmitteln habe ich bereits weiter oben beschrieben. Doch ich sehe auch ein, dass der Einsatz von bspw. Proteinpulvern durchaus auch Vorteile hat. So kannst du schnell und unkompliziert deine Proteinzufuhr erhöhen, kannst das Pulver trocken im Shaker überall mit hin nehmen usw. Und da ich hier ja einen möglichst hilfreichen Artikel verfassen möchte, kann ich wohl kaum mit einem einfachen "Iss doch einfach Fleisch, Fisch und Eier" antworten ... 

 

Was macht also ein gutes Eiweißpulver für einen Bodybuilder mit Darmbeschwerden aus? Nach der Lektüre des obigen Abschnitts weißt du nun, dass grundsätzlich zwei Komponenten in Proteinpulvern und Nahrungsergänzungsmitteln allgemein für den Darm problematisch sein können. Das sind zum einen künstliche Zusatzstoffe (Farb-, Geschmacks-, Konservierungsstoffe, Bindemittel, Emulgatoren, Verdickungsmittel, Sü´ßstoffe). Verwende deshalb immer ein Proteinpulver mit neutraler Geschmacksrichtung (fast keine Zusatzstoffe, ab und an Bindemittel wie Sojalecithin), auch wenn es dann nicht ganz so lecker schmeckt. Dein Darm wird es dir jedenfalls danken!

Die zweite problematische Komponente ist das enthaltene Protein selbst bzw. seine potenzielle Immunogenität! Du hast grundlegend drei Möglichkeiten, damit umzugehen: 

  1. Du stellst dich der oben beschriebenen Diagnostik.
  2. Du greifst auf hypoallergene Proteinsorten wie Rinderprotein zurück.
  3. Du verwendest ein hydrolysiertes Proteinpulver.

Letzteres wurde laienhaft gesprochen bereits "vorverdaut" und in seine Aminosäuren gespalten. Säuglinge, welche aufgrund einer Kaseinallergie keine Milch vertragen, bekommen solche hydrolysierten Milchprodukte, wobei man eine schwere Immunreaktion umgehen kann. Und ob du es glaubst, oder nicht - das funktioniert auch bei Reizdarmbetroffenen! So reduzierte in einer kontrollierten Studie der Hydrolysationsprozess von Kasein die Beschwerden des Reizdarms deutlich und besonders stark die Flatulenz (Blähungsabgang) gegenüber dem Verzehr eines herkömmlichen Proteinprodukts (Laatikainen et al.,2020). Es spricht also meines Erachtens nichts gegen den Konsum eines hydrolisierten Wheyproteins (außer eine sehr stark ausgeprägte Laktosintoleranz). 

 

nicht milchsensitiv

Molke aus Weiderindhaltung ohne Zusatzstoffe.

milchsensitiv

Hydrolysiertes Wheyproteinisolat. Enthält nur noch Sojalecithin. Leider sind die Versandkosten recht hoch (EU-Produkt aus Spanien). Wer eine bessere Quelle kennt, bitte melden! 


Wie könnte ein Tag im Leben eines Bodybuilders oder Kraftsportlers mit Reizdarm, Crohn etc. aussehen?

 

Nehmen wir einmal an, unser Beispielathlet wiegt 80kg bei einem moderaten Körperfettanteil, konsumiert durchschnittlich 2400kcal am Tag und möchte weiter Muskeln und Kraft aufbauen. Er erhöht also seine tägliche Kalorienzufuhr um erst einmal 10%, also 240kcal. Das dürfte seinem Körper genügen, um Muskelzellen hypertrophieren zu lassen ohne gleichzeitig zu viel Körperfett zu speichern. Schließlich soll die Energie hauptsächlich für das primäre Ziel, den Muskelzuwachs verwendet werden! 

 

Veranschlagen wir die oben vorgeschlagenen Werte, dann kommt unser Kraftsportler auf 150g Protein (600kcal) und maximal 190g Kohlenhydrate (822kcal; 30% von 2640kcal). Es verbleiben also noch 1218kcal für Fett, was eine tägliche Aufnahme von 135g Nahrungsfett bedeuten würde. Zu letzterem Punkt könnte man bemerken, dass schon Vince Gironda eine high-fat-Diät für Figurathleten priorisierte. Seine Steak-und-Eier-Diät ist heute noch berühmt und berüchtigt für progressiven Muskelaufbau bei gleichzeitiger Definition. In den nächsten Monaten werde ich noch einen Artikel darüber verfassen, warum genau eine so hohe Fettzufuhr Vorteile beim Muskelaufbau mit sich bringt.

 

Nun verteilen wir die Kalorien und Makronährstoffe auf vier Mahlzeiten, denn kleinere Mahlzeiten werden von Darmpatienten oft besser toleriert, da sie keinen gastrokolischen Reflex provozieren und die oft eingeschränkte enzymatische Verdauungskapazität und Absorptionsrate nicht übersteigen. Ich gehe in meinem Tagesbeispiel davon aus, dass unser Sportler bezüglich Nahrungsmittelallergien ausgetestet wurde und Eier sowie laktosefreie Milchprodukte gut verträgt. (Laktose kann bei Darmpatienten unabhängig von der Laktoseintoleranz zu vermehrten Beschwerden führen, Stichworte: FODMAP, Mastzellhyperplasie, rektale Hypersensitivität. Deshalb bitte auf laktosearme oder laktosefreie Produkte setzen!)

 

 Hier nun also ein Beispiel, wie unser 80kg Sportler seinen Ernährungsplan gestalten könnte. Bitte beachte, dass es sich bei dem obigen Rechenbeispiel um eine Maximalgrenze für Kohlenhydrate handelt. Ich selbst pendele meine Klienten eher zwischen 20% und 25% ein und werde dies auch in diesem Beispiel so handhaben.

 

Frühstück: Thomas Liebling - Bananeneierpfannkuchen

  1. 4 BIO- oder Bauernhof-Eier, verquirlt
  2. 40g Reismehl
  3. 2 kleine reife BIO-Bananen fein zerdrückt
  4. 20g Butter zum Ausbacken

Die Zutaten ergeben 2 große Pfannkuchen. 

750kcal, 30g Protein, 75g Kohlenhydrate, 35g Fett

 

Mittagessen: Weiderindcheeseburger

  1. 200g Hack vom Weiderind (in Burgerpatties geformt)
  2. 2 kleine Scheiben Emmentaler zum Überbacken
  3. 2 Blätter Eisbergsalat, Tomaten- und Gurkenscheiben
  4. etwas Basilikum, Senf und Salz

Die Cheeseburger in große Salatblätter einwickeln und mit auf Arbeit oder in die Schule nehmen. 

700kcal, 45g Protein, 5g Kohlenhydrate, 45g Fett

 

Nach dem Training: Protein-Beerenporridge

  1. 30g hydrolysiertes Proteinpulver
  2. 250ml laktosefreie Milch
  3. 75g glutenfreie Haferflocken
  4. 100g Erdbeeren

Erst den Porridge verkochen, danach ca. zwei Minuten abkühlen lassen und erst zum Schluss das Proteinpulver einrühren und mit Beerenhälften bedecken.

600kcal, 40g Protein, 65g Kohlenhydrate, 15g Fett

 

Abendessen: Kräuterlachs mit Zucchininudeln

  1. 200g Lachs 
  2. grüne Kräuter nach Belieben
  3. 2 Esslöffel Olivenöl (Knoblauchzehen einlegen für Geschmack - keinen wirklichen Knoblauch verwenden - FODMAP-Bombe!)
  4. Zucchini in "Nudelform" (Kartoffelschäler)
  5. Tomatenstücke

650kcal, 40g Protein, 10g Kohlenhydrate, 50g Fett 

 

Gesamt: 2700kcal, 155g Protein, 155g Kohlenhydrate, 145g Fett

 

So oder so ähnlich könnte dein Ernährungsplan beim Reizdarmsyndrom aussehen. Befolgst du diese Schritte der Reihe nach, kannst du deine sportlichen Ziele erreichen und quasi "nebenher" deinen Darm befrieden und regenerieren! Bedenke dabei, dass nicht jeder Athlet jede Etappe nehmen muss. Du fühlst dich mit der fermentationsarmen Ernährung wunderbar? Dann spar dir die Verdauungsenzyme oder die diagnostischen Tests! Ich will dir hier schließlich nichts verkaufen, sondern dir zu einer besseren Leistungsfähigkeit bei gelinderten Bauchbeschwerden verhelfen! Probiere die einzelnen Schritte lieber behutsam nacheinander aus, bis du den für dich besten Weg gefunden hast!

 

 

Und darüber hinaus?

Sollten dir die Tipps und Empfehlungen in diesem Artikel gefallen oder sogar schon geholfen haben, dann solltest du nicht auf dieser Stufe stehen bleiben! Denn dein Reizdarm ist heilbar, was ich dir an zahllosen Interventionsstudien beweisen werde. Du musst nicht mit Bauchschmerzen, Durchfällen und Blähungen leben. Außerdem zeige ich dir auch die wichtigsten Schritte, die du zur Behandlung deines Reizdarms einleiten musst. 

 

Ansonsten würde ich mich auch freuen, wenn du diesen Artikel mit anderen Leidensgenossen und Kraftsportlern teilen würdest. Danke! 

 

Beste Grüße und ein erfolgreiches Training ohne Bauchschmerzen wünscht 

Thomas

Video-Zusammenfassung

Literatur- und Abbildungsverzeichnis

Werlang ME, Palmer WC, Lacy BE. Irritable Bowel Syndrome and Dietary Interventions. Gastroenterol Hepatol (N Y). 2019;15(1):16-26.

 

Rinninella E, Cintoni M, Raoul P, Gasbarrini A, Mele MC. Food Additives, Gut Microbiota, and Irritable Bowel Syndrome: A Hidden Track. Int J Environ Res Public Health. 2020;17(23):8816. Published 2020 Nov 27. doi:10.3390/ijerph17238816

 

Laudisi F, Stolfi C, Monteleone G. Impact of Food Additives on Gut Homeostasis. Nutrients. 2019;11(10):2334. Published 2019 Oct 1. doi:10.3390/nu11102334

 

McIntosh K, Reed DE, Schneider T, Dang F, Keshteli AH, De Palma G, Madsen K, Bercik P, Vanner S. FODMAPs alter symptoms and the metabolome of patients with IBS: a randomised controlled trial. Gut. 2017 Jul;66(7):1241-1251. doi: 10.1136/gutjnl-2015-311339. Epub 2016 Mar 14. Erratum in: Gut. 2019 Jul;68(7):1342. PMID: 26976734.

 

Laatikainen R, Salmenkari H, Sibakov T, Vapaatalo H, Turpeinen A. Randomised Controlled Trial: Partial Hydrolysation of Casein Protein in Milk Decreases Gastrointestinal Symptoms in Subjects with Functional Gastrointestinal Disorders. Nutrients. 2020;12(7):2140. Published 2020 Jul 18. doi:10.3390/nu12072140