Kritisch betrachtet: Ozovit gegen Clostridien?

Ozovit gegen Clostridien bei Reizdarm?

Bei der Durchsicht der Unterlagen meiner Klienten stoße ich regelmäßig auf das Mittel Ozovit, welches von diesen zur "Darmsanierung" und besonders zur "Abtötung" bzw. "Eindämmung" der Clostridien spp. eingesetzt wird. In den vergangenen Wochen habe ich vermehrt zu dem frei verkäuflichen Medikament recherchiert, das besonders von Heilpraktikern und naturheilkundlich orientierten Ärzten empfohlen wird.

 

Dieser Artikel soll Antworten auf die drängenden Fragen geben, ob Ozovit zum Zweck der Darmsanierung wirklich geeignet ist, ob es evtl. unerwünschte Wirkungen provoziert und wie wissenschaftlich haltbar der vermutete Wirkmechanismus ist.

 


Was ist Ozovit und wie soll es helfen?

Der Wirkstoff von Ozovit ist erst einmal nichts besonderes. Es besteht nämlich aus 100% Magnesiumperoxid, also einer chemischen Verbindung aus Magnesium und Sauerstoff, welche durch eine Reaktion mit wässrigen Lösungen erneut Sauerstoff freisetzen kann.


In höheren Konzentrationen kann Magnesiumperoxid als Dekontaminations-, Bleich- oder Desinfektionsmittel eingesetzt werden. Aus diesem Grund finden wir es auch häufig in Deos oder in unserem Duschgel. Aber auch als Kompostzusatz findet es Verwendung, um schneller Gerüche bei der Vergärung zu beseitigen.


Die Einnahme hoher Dosen Magnesiumperoxid hat zahlreiche toxische Nebenwirkungen, darunter Durchfall, Blähungen, Aufstoßen und Erbrechen.


Ozovit ist nun ein Pulver, welches in Getränke eingerührt, zur Behandlung von "Verstopfung und Blähungen" vermarktet wird. Der abführende Effekt verschiedener Magnesiumbereitungen ist wissenschaftlich gut belegt (u.a. Siegel und Di Palma, 2005). Die nicht absorbierbaren osmotischen Verbindungen sorgen für eine Sekretion von Wasser in den Darm. Dabei können sie so stark wirken, dass bei einigen Patienten auf schwere Durchfälle und evtl. Elektrolytverlust geachtet werden muss.



Was hat das mit den Clostridien zu tun?

Heute kennen wir über 100 verschiedene Clostridien-Arten, darunter 30, die mit menschlichen Krankheiten assoziiert sind (bspw. die bekannteren Vertreter C. difficile, C. botulinum, C. tetani). Sie zählen als Gruppe allerdings auch zu den häufigsten anaeroben bakteriellen Vertretern des menschlichen Darmtraktes.


Die Fähigkeit zur Fermentation hat die Clostridien als Gruppe in Verruf gebracht und häufig werden sie entsprechend zu den Fäulniskeimen gerechnet. Bei der Fermentation von vor allem Kohlenhydraten wie Zucker und Stärke entstehen Endprodukte wie Aceton, Ethanol, Kohlenstoffdioxid, Buttersäure und Wasserstoff (siehe bspw. Prinzip der Wasserstoffatemgastests). Eine Überpopulation der Clostridien-Gruppe ist deshalb u.a. mit vermehrten Blähungen, abdominellem Unwohlsein und Kohlenhydratunverträglichkeiten (bspw. FODMAPs) assoziiert. Eine Überpopulation korreliert mit RDS-Beschwerden (u.a. Brown und Kollegen, 2012).

Trotz der negativen Aspekte sollte man aber nicht vergessen, dass einige Clostridienvertreter inzwischen sogar als Krebs- und Allergieschutz diskutiert werden.


Kurzer Einschub: Eine fettreiche Diät begünstigt das Anwachsen von Clostridien nicht! Dazu muss diese durch viel Zucker ergänzt werden (siehe bspw. Brown und Kollegen, 2012).


Durch die Möglichkeiten der modernen Labordiagnostik erhalten viele Reizdarm-Betroffene den Befund einer erhöhten Clostridienzahl und möchten diese verständlicherweise dezimieren. Dafür empfehlen einige Mediziner und Therapeuten Magnesiumperoxid.



Die Theorie: Clostridien sind obligat-anaerobe Bakterien. Im Gegensatz zu fakultativ-anaeroben Bakterien (bspw. Laktobazillen) würden sie einen Kontakt mit Sauerstoff nicht unbeschadet überstehen. An letzterem Punkt möchte man gern ansetzen. Durch den Kontakt des Magnesiumperoxids mit der Magensäure soll durch verschiedene chemische Prozesse Sauerstoff in den Dickdarm gelangen und somit den Clostridien den Gar aus machen.



Was spricht gegen diese Theorie?

Es gibt eigentlich zwei große Problemfelder bei diesem Ansatz:


1. Die Wirkung ist nicht wissenschaftlich belegt.

Die Ärzte streiten sich, ob nach den vielen chemischen Reaktionen überhaupt Sauerstoff bis in den Dickdarm gelangt. Alle Versuche, welche eine Inhibition von Clostridien demonstrierten (bspw. Chang und Kollegen, 2008) wurden unter strengen Laborbedingungen durchgeführt. Es gibt also keinen nachvollziehbaren Hinweis für die Wirkung im menschlichen Körper.


2. Es wäre schlimm, wenn die Theorie tatsächlich funktionierte!

Nehmen wir einmal an, dass wirklich eine ausreichende Menge Sauerstoff in den Dickdarm gelangte. Was ist das wohl bekannteste obligat-anaerobe Bakterium im menschlichen Verdauungstrakt? Bifidobakterien! Wir würden also eine Spezies killen, welche beim Reizdarm ohnehin zu gering vertreten ist (bspw. Kerckhoffs und Kollegen, 2009) und welche nachweislich Clostridien und andere "Fäulnisbakterien" in Schach halten soll.


Kann das eine erwägenswerte Lösung sein?


Meiner Meinung nach jedenfalls nicht und so lange diese Fragen nicht geklärt sind, rate ich auch jedem meiner Klienten von dieser "Therapie" ab.



Ein besserer Weg

Wir können die Clostridien kontrollieren, indem wir ihr Wachstum durch Substratentzug gezielt hemmen. Dazu eignen sich die Methoden, die wir auf unserer Seite oder in unserem Therapieleitfaden beschreiben. Haben Sie keine Angst vor Fett/Protein, so lange Sie nicht unter Bauchspeicheldrüsen-, Gallen- oder Magensäureproblemen leiden! Das Problem sind schlecht absorbierte Substrate wie FODMAPs, Ballaststoffe, resistente Stärke usw. Zusätzlich ist es ratsam, die innerintestinalen "Gegenspieler" gezielt zu stärken. Neueste Studien weisen darauf hin, dass dafür B-GOS das Mittel der Wahl sein könnte.  


FAZIT: Ozovit sollte man höchstens dazu verwenden, für was es vom Hersteller vorgesehen ist - Verstopfungen lindern. Doch auch da gibt es meiner Meinung nach sinnvollere Strategien.


Viele Grüße und alles Gute

Ihr Thomas Struppe